[REZENSION]: Monica Byrne: Die Brücke
Inhalt: Wir schreiben das Jahr 2068: Die Vereinigten Staaten und Europa sind in die Bedeutungslosigkeit gefallen, Indien und Äthiopien dagegen die stärksten Wirtschaftsmächte der Welt, deren Mega-Cities ständig mit Energie versorgt werden müssen. Zu diesem Zweck wurde der TRAIL erfunden – eine gigantische schwimmende Pontonbrücke, die über das Arabische Meer verläuft, Indien mit Äthiopien verbindet und Sonnenlicht in Strom umwandelt. Doch der TRAIL ist auch die letzte Hoffnung für die, die in den pulsierenden Riesenstädten Indiens keinen Platz mehr finden: Sie wandern über den TRAIL nach Afrika – für sie ist er die Brücke in eine bessere Zukunft. So wie für Meena und Mariama, die einander nicht kennen, aber deren Schicksal auf vielfache Weise miteinander verknüpft ist …
Moncia Byrne: Die Brücke
(OT: The Girl in the Road; 2014) Heyne 09/2015; ISBN: 978-3-453-41784-7; Seiten: 448; Übersetzung: Irene Holicki; Ausstattung: Klappbroschur, Paperback
Ich will es mal so ausdrücken: Irgendwo in dem Buch steckt eine faszinierende Geschichte. Es braucht sehr viel Geduld und langen Atem, um sie auszugraben. Die Erzählweise des Romans ist eher als außergewöhnlich zu bezeichnen und sehr gewöhnungsbedürftig – was an sich eine gute Sache ist, weil es das Lesen spannend gestaltet. Jede der zwei Hauptfiguren ist mit einem anderen Schreibstil versehen, einer anderen Erzählweise, die durchaus auch sperrig sein kann.
Nicht weniger spannend ist die Schilderung der Zukunft, die technische und gesellschaftliche Entwicklung in Ländern, zu denen der durchschnittliche Europäer auch heute eher weniger persönlichen Bezug hat. Ebenso faszinierend sind die Protagonistinnen, an deren psychischer Gesundheit beim Lesen immer wieder Zweifel aufkommen dürfen.
Wenn Monica Byrne eine Sache unter Beweis stellt, dann ihr Gespür für ausgefallene Details und eine Geschichte jenseits aller Klischees.
Allerdings gibt es – gab es für mich – einen kleinen Wermutstropfen: Ich habe keinen Zugang zu den Figuren gefunden. Sie haben mich kalt gelassen. Generell empfinde ich diesen Roman als emotional unterkühlt. Ob Meena gleich zu Beginn einem Anschlag entkommt und verletzt flieht oder irgendwann später recht detailliert schildert, wie sie scheißt, beides bleibt nicht mehr als eine intellektuelle Fingerübung.
Das tut mir persönlich sehr Leid, weil sonst alles so wunderbar stimmig ist. Von den Details der indischen Gesellschaft bis hin zu den Kleinigkeiten im Zusammenhang mit der Reise über den Trail, alles sitzt und fügt sich nahtlos und flüssig ineinander. Gemächlich im Tempo, das ist schließlich kein Action-Kracher, aber so bannend, wie auch eine Geschichte über Stillstand faszinieren kann. Nur ist mir das alles herzlich egal, weil ich emotional unberührt geblieben bin.
Tja. Aber wie immer gilt, Buch selber lesen und eigenes Urteil bilden.
Kurz gesagt:
- ungewöhnlich in Stil und Form
- detailreich, faszinierend
- emotional stark unterkühlt
Fazit: groß im Hirn, klein im Herz.
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