[REZENSION]: Andreas Gruber: Todesurteil
Inhalt: In Wien verschwindet die zehnjährige Clara. Ein Jahr später taucht sie völlig verstört am nahen Waldrand wieder auf. Ihr gesamter Rücken ist mit Motiven aus Dantes “Inferno” tätowiert – und sie spricht kein Wort. Indessen nimmt der niederländische Profiler Maarten S. Sneijder an der Akademie des BKA für hochbegabten Nachwuchs mit seinen Studenten ungelöste Mordfälle durch. Seine beste Schülerin Sabine Nemez entdeckt einen Zusammenhang zwischen mehreren Fällen – aber das Werk des raffinierten Killers ist noch lange nicht beendet. Seine Spur führt nach Wien – wo Clara die einzige ist, die den Mörder je zu Gesicht bekommen hat …
Andreas Gruber: Todesurteil
Goldmann 03/2015; ISBN: 978-3-442-48025-8; Seiten: 572; Ausstattung: Taschenbuch, Klappbroschur, geprägtes Titelbild
Todesurteil ist der beste Thriller von Thomas Harris (Das Schweigen der Lämmer, Hannibal), den dieser nie geschrieben hat. Soll heißen: Hier liegt ein exzellent recherchierter und geschriebener Thriller vor, der nicht auf Härte verzichtet und eine abgründige Geschichte erzählt.
Der Roman ist eine liebevolle und stilgetreue Hommage an den Urvater der Psycho-Thriller. Andreas Gruber macht sich die Grundstruktur zu eigen und setzt liebevoll gezeichnete Charaktere darauf, die sich mit richtig übler Sch… konfrontiert sehen. Das Buch wandert den feinen Grat zwischen abstoßender Misanthropie und am anstreifender Philanthropie entlang – ein Wechselbad der Gefühle, je nachdem welcher Charakter gerade das Kapitel dominiert.
Wie man anhand der Dankesliste am Ende des Buches leicht erlesen kann, sind die kriminalistischen und medizinischen Schilderungen so authentisch, wie sie sich lesen – was für einen Thriller wie diesen hier nur zur Spannung und vor allem zur packenden Stimmung beiträgt – wo wir beim Thema sind. Atmosphärisch dichtes Buch, das sich auf jeder Seite selbst treu bleibt und auch die wenigen, freundlichen Momente mit einem düsteren Schatten belegt.
Zahlreiche unerwartete Wendungen im Plot, eine verwickelte Vorgeschichte zum selbst schon komplexen Fall, die höchst eigenwilligen, zum Teil extrem verschrobenen Figuren wie “Held” Maarten S. Sneijder, das Lokalkolorit der Schauplätze und der gekonnte, flüssige Stil machen Todesurteil zu einem rundum gelungenen Thriller, den man am Ende überaus zufrieden verlässt – schon in der Erwartung, was den Ermittlern im nächsten Fall zustößt. Gruber hinterlässt eine Andeutung – ob er den Faden aufnimmt, wir werden sehen.
Abgesehen von seiner mehr als verständlichen Zuneigung zu Thomas Harris hat der Autor auch noch einen winzigen Wink in Richtung eines anderen, großen Schriftstellers eingebaut. Ist leicht zu überlesen, aber tatsächlich eine Anspielung.
Thriller? Gruber!
Kurz gesagt:
- fesselnd und komplex
- ausführlich recherchiert
- stilsicher und spannend
Fazit: uneingeschränkt empfehlenswert für heiße Sommertage und alle anderen Jahreszeiten.
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