[REZENSION]: Dmitry Glukhovsky: Future
Inhalt: Seit die Sterblichkeit überwunden wurde, ist die Erde vollkommen überbevölkert. Ganz Europa ist zu einer einzigen Megapolis aus gigantischen Wohntürmen zusammengewachsen. Nur die Reichen und Mächtigen können sich in den obersten Etagen noch ein unbeschwertes Leben leisten, während die Mehrheit der Bevölkerung auf den niederen Ebenen ein beengtes Dasein fristet. Die Fortpflanzung ist streng reglementiert, und illegale Geburten werden unnachgiebig verfolgt. Als der Polizist Nr. 717 auf den Anführer einer Terrorgruppe angesetzt wird, gerät er in das Netz eines Komplotts, das bis in die höchsten Etagen der Gesellschaft reicht – und das die brutale Ordnung ins Wanken bringen wird.
Dmitry Glukhovsky: Future
(Original 2013) Heyne Paperback 06/2014; ISBN: 978-3-453-31554-9; Seiten: 925; Übersetzung: David Drevs; Ausstattung: Paperback, Klappbroschur, geprägter Titel
Eine monströyse Dystopie. Nicht nur vom Umfang her, der mit beinahe 1000 Seiten gewaltig ist – und jede einzelne davon ist lesensert, keine einzige davon überflüssig.
Glukhovsky schildert eine in jeder Hinsicht radikale Welt – bevölkert mit 120 Milliarden Menschen, zusammengepfercht in gigantischen Wohnsilos in Städten groß wie Kontinente. Radikal ist auch das System, die Gesellschaft, sehr ähnliche jener, die wir schon bei Fritz Lang und Thea von Harbou in Metropolis präsentiert bekommen haben:
Eine faschistische Oberschicht, die jeglich erdenklichen Luxus – Platz zu haben bedeutet enorm reich zu sein – genießt, in den obersten Etagen dieser unvorstellbaren Welt residiert und auf Kosten der unzähligen Habenichtse lebt. Die hausen in Verschlägen, werden mit Tabletten ruhiggestellt und sind auf Lebenszeit in den beschissensten Jobs dienstverpflichtet – was unendlich heißt, wenn man nie stirbt.
Im Gleichgewicht gehalten wird das System von paramilitärischen Einheiten, die mit brutalster Gewalt gegen jene vorgehen, die Kinder bekommen – eine Todsünde, die mit erzwungenem Altern und Sterben bestraft wird. Diese Kinder kommen in Waisenhäusern und werden zu Mitgliedern dieser Einheiten herangeformt – unter Einsatz von Gehirnwäsche und brutaler Gewalt.
Schöne neue Welt, eh?
Glukhovsky hat ein Meisterwerk abgeliefert. So kalt und unbarmherzig, so distanziert und abstoßend diese Zukunft und ihre Protagonisten auch sein mögen, nach und nach findet der Leser über die Hauptfigur Risse und Sprünge im System. Und mit zunehmendem Voranschreiten der komplexen, intriganten, verlogenen Geschichte, in der jeder versucht, jeden zu manipulieren, wird der Leser von Emotionen gepackt.
Erst in kleinen Dosen, dann zunehmend mehr gerät man in den Würgegriff von Gefühlen, die der Autor mit gefinkelten Tricks sät, bis er seine Leser in Wechselbad tunkt – schluck. Keine Figur, die man nicht abwechselnd liebt und hasst, keine Figur, die nicht von der Position des Protagonisten in jene des Antagonisten und zurück wechselt – mehrmals.
Wäre Glukhovsky nicht so jung, man wäre leicht versucht, das Buch als großes, definitives Alterswerk eines Autors zu klassifizieren. Aber he, der Mann hat noch gar nicht so viele Bücher geschrieben: Metro 2033, Metro 2034 – beides großartige Endzeit-Romane über das Leben in den Schächten der U-Bahnen, nachdem die Welt zum Teufel gegangen ist. Die Romane waren der Startschuß für ein bemerkenswertes Universum und eine Unzahl Bücher dazu. Sumerki – eine großartige, versponnene Abenteuerfantasie, wie sie Crichton, Preston/Child oder Scott Sigler nicht besser hätten erdenken können. Und eben Futu.re. Also in der Zahl wenige Bücher, aber jedes für sich bemerkenswert.
Futu. re ist eine extreme Dystopie, die in ihrer unbarmherzigen Konsequenz, Düsternis und Glaubhaftigkeit mit den großen Klassikern der Weltliteratur leicht mithalten kann: Ray Bradbury mit Fahrenheit 451, Aldous Huxley mit Schöne neue Welt, George Orwell mit 1984, Anthony Burgess mit Uhrwerk Orange, um nur ein paar zu nennen. Dmitry Glukhovsky reiht sich mit Futu.re nahtlos in diese Utopien.
Ich schätze Dmitry Glukhovsky als weitaus komplexer, dichter, vorausdenkender ein als seinen gleichfalls überaus unterhaltsamen Kollegen Sergej Lukianenko, der mehr zu Spektakel und Kawumm! neigt, als Glukhovsky. Der setzt die Gewalt, mit der er das faschistische System schildert, etwas weniger, dafür gezielter, unbarmherziger, direkter, mit grausmer Konsequenz ein. Zusammen mit der erschaffenen Stimmung wird so ein Bild unglaublicher Tristesse, Hoffnungslosigkeit und Depression geschaffen.
Ich bin wirklich sehr beeindruckt und begeistert von diesem Buch und seiner bitteren, packenden Konsequenz, die bis in die letzte Zeile der Geschichte durchgehalten wird.
Futu.re ist eine der packendsten und düstersten Gesellschafts-Utopien der letzten Jahre. Wahrlich ein Meisterwerk.
Kurz gesagt:
- extrem düster
- extrem realistisch
- extrem packend
Fazit: Bemerkenswert, absolut und rundherum bemerkenswert.
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