[REZENSION]: Frank Belknap Long, H.P. Lovecraft: Das Grauen aus den Bergen
Inhalt: Man nennt ihn Chaugnar Faugn. Es scheint nur ein Götze zu sein, der in einem Museum von Manhattan ausgestellt wird. Doch dann erwacht die blutgierige Saat aus den Klüften zwischen den Sternen zum Leben … Frank Belknap Long (1903–1994) war ein enger Freund von H. P. Lovecraft. Als erster Autor fügte Long Elemente von Lovecrafts Cthulhu-Mythos in sein eigenes Werk ein. Er veröffentlichte im legendären Horrormagazin Weird Tales etwa genauso viele Erzählungen wie Lovecraft. 1975 erschienen Longs Erinnerungen Howard Phillips Lovecraft: Dreamer on the Night Side.
Der »römische Traum« in Das Grauen aus den Bergen (der erste Roman, der zum Cthulhu-Mythos geschrieben wurde) stammt wörtlich aus einem Brief von Lovecraft, in dem der Meister einen seiner Albträume schildert. In ›The Space-Eaters‹ treten die beiden Freunde sogar als Hauptfiguren auf.
Frank Belknap Long, H.P. Lovecraft: Das Grauen aus den Bergen
Festa Originalausgabe 04/2013; ISBN: 978-3-86552-234-4; Seiten: 255; Übersetzung: Joachim Körber, Michael Siefener, Andreas Diesel; Ausstattung: Hardcover, Lederoptik, Lesebändchen, Illustration von Virgil Finlay, Nachwort u. Bibliographie von Joachim Körber; Buch beim Verlag: hier
Eins kann man Festa nicht vorwerfen: knausrig zu sein. Das ist eine wirklich prächtige Ausgabe für einen Autor, der bei uns eher unbekannt ist – außer die Älteren unter uns haben die Terra Hefte gesammelt und sind zweimal über Long gestolpert.
Noch was an dieser Ausgabe ist höchst interessant: Damit wird den Lesern ermöglicht, das nächste literarische Umfeld von H. P. Lovecraft eingehend zu studieren. Frank Belknap Long war ein enger Freund des Autors, auch wenn sein Name kaum je im Zusammenhang mit HPL genannt wird.
Aber jetzt haben wir eben Frank Belknap Long, Robert E. Howard und Clark Ashton Smith quasi als Erweiterung und Ergänzung zur Lovecraft Edition von Festa. Damit ist es ziemlich einfach, in die Werke hineinzulesen und die Stile zu vergleichen.
Als Nichtstudierter Vielleser wage ich mal folgenden Vergleich: HPL und REH haben einen Sinn für überbordende Dramatik mit gelegentlich hysterischen Einlagen. CAS ist der multitalentierte Künstler, der sich gerne bunte Pilze eingeworfen hat und seine Trips niederschrieb. Und FBL? Er war stets darum bemüht, all den Schrecken mit sorgfältig nüchterner Distanziertheit zu beschreiben und stark auf die wissenschaftlichen Aspekte zurückzugreifen.
Außerdem hatten alle vier Autoren Initialien mit 3 Buchstaben. Das bedeutet was?
Frank Belkanp Long überrascht wie gesagt mit stark wissenschaftlichem Einschlag. Er lässt seine Figuren über Astronomie diskutieren, über Relativität und Einstein. Das kommt … unerwartet, gibt seinen Erzählungen einen bizarren, starken Drall in Richtung Tatsachenschilderung.
Diese Eigenheit ergibt im Zusammenspiel mit den Geschehnissen in den Erzählungen eine überaus interessante Note. Man könnte mit ein klein wenig mehr Leichtgläubigkeit tatsächlich meinen, Berichte aus der Realität zu lesen. Gerade als Kontrast zu HPL und REH ist das sehr erfrischend.
Belknap Long zu lesen ist ungefähr so, als beobachte man jemanden, der darum bemüht ist, seine Phantasie nicht durchknallen zu lassen, weil er sich nur mit den wissenschaftlichen Fakten auseinandersetzen will. Eine ziemlich witzige Angelegenheit. Belknap Longs Einstellung zum Schreiben (siehe Nachwort) spiegelt die Nüchternheit seines Stils wieder und bildet einen extremen Gegensatz zur Sichtweise von HPL. Eine faszinierende Freundschaft.
Joachim Körber, Fundgrube des vergessenen oder – hüstel – absonderlichen Wissens liefert neben Übersetzungen ein wirklich sehr interessantes und ausführliches Nachwort und eine Bibliographie der übersetzten Werke von Belknap Long. Faszinierend übrigens die Fotos von Belknap Long und Lovecraft. Allein der optische Kontrast der beiden Männer, herrlich (man beachte besonders das Bild auf Seite 243, die Körperhaltung von FBL, seine ganze Erscheinung). Und das Altersfoto von Belknap Long, faszinierendes Gesicht (meine Frau hat gemeint, es wäre ein schönes Gesicht, das Alter habe ihm optisch zum Vorteil gereicht). Eine Grafik von Virgil Finlay veredelt das Buch.
Das Grauen aus den Bergen ist nicht zuletzt wegen der Sekundärliteratur ein must-have. Der Stilvergleich der Autoren aus dem HPL Umfeld ist ein weiteres Argument für diesen Band. Und – Überraschung – die Geschichten sind natürlich ebenso die Lektüre wert. Für die Bibliomanen: Gestaltung und Inhalt des Buches sind hochwertig, das Werk eines Liebhabers – auch ein Grund, das Buch in die heimische Bibliothek zu reihen.
Frank Belknap Long mag weit weniger bekannt sein als seine Zeitgenossen im Zirkel um Lovecraft, aber er gehört definitiv und unverkennbar dazu. Er hat die ganze Mythologie nur einen Tick anders angegangen – auf sehr interessante Art und Weise.
Kurz gesagt:
- unterhaltsame Erzählungen
- informative Sekundärinformationen
- wichtige Ergänzung zu HPL
Fazit: definitiv ein Buch, das in die eigene Bibliothek und zu HPL gehört.
.