[REZENSION]: Whitley Strieber: Wolfen
Inhalt: Auf einem abgelegenen Schrottplatz in Brooklyn werden zwei Polizisten auf bestialische Weise ermordet. Ihre Kollegen Becky Neff und George Wilson untersuchen den Fall und erkennen, dass sie es mit unbekannten, unheimlichen Kreaturen zu tun haben … Zusätzlich enthalten als weltweite Erstveröffentlichung: Der Wolfenkönig. Striebers Drehbuch-Entwurf für eine Fortsetzung des Films Wolfen, der jedoch nicht realisiert wurde.
Whitley Strieber: Wolfen
(OT: The Wolfen 1978; The Wolfen King 2002) Festa 2011; ISBN: 978-3-86552-142-2; Seiten: 335; Übersetzung: Joachim Körber, Heinz Zwack; Ausstattung: Taschenbuch; Inhalt: Wolfen; The Wolfen King; Buch bei Festa: hier
Es gibt Bücher, die werden aus einem bestimmten Grund zu Klassikern. Wolfen stammt aus einer Zeit, da schrieb Whitley Strieber noch verdammt gute Romane. Wolfen (in der ersten dt. Ausgabe bei Heyne noch Wolfsbrut) und The Hunger (Der Kuss des Todes) seien hier besonders erwähnt, da beide Romane verfilmt wurden. Dann kamen, ebenfalls verfilmt, Die Besucher, ein Buch über seine angebliche Entführung durch Außerirdische und … nun ja. Einige wirklich gute Romane, auf die er stolz sein kann, hatte Whitley Strieber bis zu diesem Zeitpunkt geschrieben.
The Wolfen wurde zum inhaltlich etwas veränderten Film Wolfen, 1981 von Regisseur Michael Wadleigh mit dem unvergleichlichen Albert Finney in der Hauptrolle. The Hunger wurde zu Begierde, 1983 das Regiedebüt von Ridleys Bruder Tony »Top Gun« Scott, u.a. mit David Bowie und Susan Sarandon.
Wolfen ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es ist zum einen ein hervorragender Horrorthriller. Trotz seines relativen Alters funktioniert das Buch uneingeschränkt. In winzigen Details bemerkt man zwar die mehr als dreißig Jahre, aber das ist egal. Die Geschichte hält sich tadellos, Schauplätze und Charaktere sind Archetypen, die auch heute zu finden sind.
Die Handvoll Klischees, die es gibt, die sind Standardausstattung, die zum heimeligen Wohlgefühl beitragen. Die eine oder andere technische Kleinigkeit ist überholt, aber pfff – und auf keiner Seite des Buches vermisst man das blöde Handy. Wolfen ist verdammt spannend, ein origineller und cleverer Zugang zum Mythos des Werwolfs.
Auffällig ist auch, wie sehr sich das Buch letztendlich von der Verfilmung unterscheidet und wie wenig Rolle das spielt. Man will zwar beim Lesen immer wieder die Bilder des Films hervorholen, aber die sind nicht deckungsgleich und so hat man einen ausgezeichneten Roman und einen ausgezeichneten Film – und keines der Werke verdirbt das andere. Das ist selten.
Wolfen ist und bleibt ein Spitzenthriller, zeitlos, elegant, durchdacht und überaus grob. Strieber kann richtig stolz auf dieses Buch sein und es ist schön, den Roman wieder neu aufgelegt zu sehen. Eine schöne und lesenswerte Wiederentdeckung eines Klassikers.
Ganz anders wiederum liegt die Sache bei The Wolfen King, dem ersten, überaus groben und nicht weit gediehenen Entwurf für eine letztlich nicht realisierte TV-Serie. 2002 entstanden. Neue, natürlich vo persönlichen Verlusten traumatisierte Helden, diesmal keine Cops, die Verbindung zum alten Film wird über Becky Neff hergestellt, die Sache geht aus der Stadt hinaus in ein Skigebiet, der lokale Sheriff ermittelt nicht und so weiter…
Qualitativ bewegt sich dieser Entwurf irgendwo zwischen dem Syfy Film der Woche und einer Asylum Produktion – das sind jene Leute, die billige Rip-Off Filme herstellen mit Titeln wie Titanic 2, Mega Shark, Transmorphers, Mega Shark vs Giant Octopus, Snakes on a Train, 2-Headed Shark Attack … ich glaube, wir verstehen uns.
Nicht falsch verstehen, der eine oder andere Asylum Film ist durchaus – meist unfreiwillig – unterhaltsam und gelegentlich hilft eine derartige Dröhnung Schwachsinn gegen allerlei Befindlichkeiten. Insofern ist auch gegen eine Serie mit den Wolfen nichts einzuwenden – nur das Niveau, auf das Strieber mit seinem Entwurf abgestürzt ist, das schmerzt, wenn man den unmittelbaren Vergleich zu seinem Meisterwerk hat.
Keine originelle Idee, die klassisch vorhersehbare Geschichte, jede standardisierte Kameraeinstellung, jede Bewegung der Schauspieler, jede Großaufnahme, jeden einzelnen banalen Dialogsatz, all das erkennt man in diesen wenigen Seiten Text – herrje, sogar die schlampig in die Szenen kopierten Digitalkreaturen kann man sehen. Wenn sich die Kreatur durch die Szene bewegt, sieht es immer so aus, als würde sie knapp über dem Boden durch die Luft schreiten, die Tiefenschärfe passt nicht, das Licht sieht falsch aus und und und …
Ein großer Dank gebührt Frank Festa dafür, diese Katastrophe zu Tage gefördert zu haben. The Wolfen King zu lesen und zu wissen, diese Serie kam nie zustande, das erleichtert ungemein. Und der Vergleich zeigt, wie verdammt gut der Roman ist.
Wolfen ist ein Stück Shakespeare des Horrorromans.
Kurz gesagt:
- The Wolfen ist ein zeitloses kleines Meisterwerk
- The Wolfen King ist eine einzige Katastrophe
- Tolles Buch
Fazit: Ein beeindruckendes Lehrbuch über Hoch und Tief eines Autors.