[REZENSION]: Richard Laymon: Finster
Inhalt: Es ist eine stürmische Oktobernacht, in der Ed Logan von seiner Freundin sitzengelassen wird. Verzweifelt und mit gebrochenem Herzen wandert er durch die einsamen Straßen. Er bemerkt ein hübsches, fremdes Mädchen und beschließt, ihr zu folgen. Doch wer hätte ahnen können, welche tödlichen Geheimnisse diese Nacht für ihn bereithält?
Richard Laymon: Finster
(OT: Night in the Lonesome October; 2002) Heyne Tb 01/2011; ISBN: 978-3-453-67583-4; 543 Seiten; Übersetzung: Marcel Häußler; Ausstattung: Taschenbuch, geprägter Titel
Richard Laymon hat verdammt viele Bücher geschrieben. Viele seiner Bücher sind herausragend, kleine Meisterwerke des Grauens und des Unbehagens. Manche Bücher sind schlicht und ergreifend Trash – unterhaltsamer und wunderbar ekeliger Spaß, eben reiner Trash in seiner positiven Form. Und dann gibt es einige Titel, die irgendwie irritierend sind und die klassische what the fuck Frage provozieren. Titel wie Finster.
Nacht
Ich habe mich beim Lesen die ganze Zeit über gefragt, ob Laymon das Buch auf diese merkwürdige Art konzipiert hat oder ob es ihm einfach passiert ist. Mein Eindruck ist es, Laymon hat ein Buch konzipiert, das ihm entglitten ist und zu Finster wurde.
Spiel
Der … Held … nein, nennen wir ihn lieber … Protagonisten, also Ed Logan ist im Grunde ein Vollidiot. Er ist nicht rasend sympathisch, weiß die ganze Zeit genau, was er NICHT tun sollte, um dann genau das zu machen und er hat die unangenehme Eigenheit, sich im Selbstmitleid zu wälzen und all die schönen Dinge … äh, Frauen, die sich an ihn ranmachen, ununterbrochen mit der Ex zu vergleichen.
Grauenhaft. Logan ist ein Weichei und Nervtöter und zwischendurch möchte man ihm am liebsten eine Serie von Ohrfeigen für sein unseliges Getue verpassen. Vielleicht ist das Absicht – Antipathie für den Helden wecken, um sie dann hoffentlich gegen Schluss in Sympathie umschlagen zu lassen. Hat für mich irgendwie nicht funktioniert.
Jagd
Dabei ist die Geschichte an sich sehr gut. Wunderbar – und da offenbart sich wieder einmal die Stärke von Richard Laymon und der Grund, warum er so beliebt war/ist – sind seine Schilderungen der Nacht. Das Streifen durch die Finsternis, das nächtliche Leben einer Kleinstadt mit all ihren Freaks, Psychopathen und freundlichen Gesellen, all die Spinner und die Merkwürdigkeiten, die man selbst niemals erforschen würde wollen.
In diesen Momenten funktioniert der überraschend milde Roman am Besten. Keine Gewaltorgien, keine Blutfontänen, keine Grausigkeiten, die Brechreiz verursachen. Oder besser gesagt, viel weniger, als man es ausgerechnet von Laymon erwarten würde. Immerhin finden sich wenigstens zwei typisch derbe und brutale Szenerien in dem Buch, mit dem üblichen Schuss Bizarr, den Laymon stets vortrefflich zur Anwendung gebracht hat.
Keller
Finster ist ein merkwürdiges Buch. Es scheitert einerseits am Helden, der einfach nur nervt. So sehr, dass die eigentliche Nervensäge des Buches beinahe zu milde erscheint – beinahe. Andererseits ist der Thriller ein Buch mit sehr starken Frauenfiguren – man traut es sich gar nicht zu sagen, aber Finster geht beinahe als feministischer Roman durch.
Die Schilderungen der Nächte sind wirklich toll – stimmungsvoll, sehr authentisch und glaubwürdig in ihrer Art. Die Tagesszenen wiederum wirken, als wären sie nur da, weil sie irgendwie da sein müssen, damit das Buch lesbar bleibt. Und Laymon hat offenbar kein richtiges Ende gefunden, denn das Ergebnis ist … ok, aber irgendwie halbherzig. Aber ok. Es passt zum Buch.
Übrigens ist ein anachronistisches Detail das Fehlen von Handys. 2002, als Laymon das Buch geschrieben hat, waren Festnetztelefon und Anrufbeantworter noch Standard – das liest sich knapp zehn Jahre später etwas merkwürdig. Auch ein, zwei Elemente der Handlung funktionieren nur dank der Abwesenheit eines Handys. Irgendwie witzig.
Finster war eine der schwächeren Arbeiten von Laymon, aber es enthält trotzdem viele sehr gute Momente. Im Kontext mit seinen anderen Werken stellt sich die Frage aber ohnehin nicht, ob man das Buch daheim hat.
Auch ein schwächerer Laymon ist ein Buch mit Unterhaltungswert. In diesem Sinne gehört es sehr wohl ins Regal.
Kurz gesagt:
- nervtötender Held, starke Frauen
- schöne Nachtszenen
- schwache Tagesszenen
Fazit: unausgewogen und schwächer, als man Laymon sonst kennt, aber ok.
Überblick Richard Laymon:
Richard Laymon: Das Ufer [meine Rezension]
Richard Laymon: Die Klinge [meine Rezension]
Richard Laymon: Die Familie [meine Rezension]
Richard Laymon: Furien [meine Rezension]
Richard Laymon: Night Show [meine Rezension]
Richard Laymon: Licht aus! [meine Rezension]
Richard Laymon: Das Loch [meine Rezension]
Richard Laymon: Der Gast [meine Rezension]
Richard Laymon: In den finsteren Wäldern [meine Rezension]
Richard Laymon: Der Wald [meine Rezension]
Richard Laymon: Das Grab [meine Rezension]
Richard Laymon: Finster [meine Rezension]
Richard Laymon: Der Keller [meine Rezension]
Richard Laymon: Der Regen [meine Rezension]
Richard Laymon: Der Käfig [meine Rezension]
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