[REZENSION]: Richard Laymon: Der Käfig
Inhalt: Vor langer Zeit war sie eine Herrscherin. Jetzt ist sie nur noch eine vertrocknete Mumie. Bis die Siegel zerbrochen werden, die sie in ihrem Sarkophag gefangenhalten. Die Untote macht sich auf einen blutigen Rachefeldzug durch das heutige Kalifornien.
Richard Laymon: Der Käfig
(OT: Amara; 2002) Heyne Tb 04/2011; ISBN: 978-3-453-43530-8; 512 Seiten; Übersetzung: Marcel Häußler; Ausstattung: Taschenbuch, geprägter Titel, Vorwort von Dean Koontz
Eine Sache an diesem Buch ist etwas kurios, folgt aber offenbar der deutschen Titelgebung: Original heißt das Buch Amara, denn hauptsächlich geht es um die Mumie. Der Käfig spielt zwar auch eine Rolle, aber Amara ist bis zur finalen Verflechtung der scheinbar unabhängigen Elemente sehr wohl der dominante Handlungsstrang. Aber mit dem Käfig-Titel passt das Buch besser in die Laymon Edition von Heyne. Ist auch o.k., Hauptsache Laymon.
Inferno
Richard Laymon zu lesen, ist immer ein Vergnügen. Zum einen ist die Übersetzung sehr gut. Das Buch liest sich flüssig und schnell, verwendet eine klare, zur Geschichte passende Sprache. (Ob Laymon übersetzen auch Spaß macht?) Zum anderen ist Laymon einfach Laymon. Vollgas überdreht, brutal, ungeniert, obszön, deftig, ekelig, spaßig, kurios, grotesk, zynisch. Aber nie destruktiv oder verächtlich, herablassend oder ähnliches … Laymon war definitv kein Misanthrop.
Nacht
Witzig ist, Laymon unterläuft eine automatische Erwartungshaltung. Die Mumie ist und bleibt ein Brechmittel, nichts da mit geilem Sex mit einer reiferen Frau oder einer sexy Killerin. Eine mordende Mumie ist klapperdürr, knistert vor Trockenheit, hat keine Augen mehr und ist überhaupt übellaunig. Verständlich.
Regen
Sex und Blut gibt es natürlich auch jede Menge, aber da spielt eher der Käfig eine Rolle – und wer hier an gepflegtes S/M oder an Domina-Spielereien denkt, nein, meine Lieben, nicht ganz. Irgendwie hat das Buch einen Faible dafür, gewisse Erwartungshaltungen zu enttäuschen, um mit anderen hübschen Überraschungen aufzufahren. Es verbreitet zwischendurch eher Angst um Geschlechtsteile. Sehr amüsant.
Ripper
Laymon hatte offenbar stets Spaß daran, wirklich ekelige und nervende Elemente in seine Bücher einzubauen, die zwischen all dem durchgeknallten Horror unangenehm realistisch sind. So auch in diesem Buch – das zu verraten wäre gemein, aber viel Spaß beim ekeln. Und weil Laymon eben Laymon ist, hat das Buch für Eltern kleiner Kinder noch einen zusätzlichen Faktor Sadismus in der Hinterhand.
Keller
Richard Laymon war, das bestätigt das Vorwort von Koontz ebenso wie diverse Anmerkungen von Brian Keene auf seiner Site, offenbar ein sehr liebenswerter, freundlicher Mensch. Auch wenn es idiotisch erscheint, genau das merkt man den Büchern auch an. Hinter all dem Sadismus und Ekel und dem Hardcore stecken immer wieder höchst interessante Gedankengänge und sensible Beobachtungen. Misanthropie ist in den Romanen nirgends vertreten. Höchsten ein gewisser Pessimismus, was die menschliche Natur angeht.
Show
Laymon mag man oder eben nicht. Viel mehr Auswahl lassen die Bücher nicht. Auch das ist ein gute Zeichen. Laymon blieb sich selbst stets treu und hat geschrieben, was sein Ding war. Ohne Rücksicht auf Massengeschmack oder Bestsellerlisten. Und genau darum machen die Bücher Spaß, weil all der Irrsinn darin unverkrampft und unterhaltsam dargeboten wird.
Treffen
Abkanzeln als Gewaltpornographie kann man die Bücher nicht, dazu sind sie zu clever und zu … hmm … freundlich. Ich freue mich jedes Mal auf einen Laymon und bin noch nie wirklich enttäuscht worden. Er liefert immer guten Stoff für einige Nächte spannende, witzige, skurrile Unterhaltung.
Der Käfig ist ein Mumien-Roman mit Torture-Porn Elementen. Laymon ist einfach nur cool.
Kurz gesagt:
- typisch überdrehter Laymon
- äußerst unterhaltsamer Spaß
- schlicht und ergreifend durchgeknallt
Fazit: Laymon mag man eben
.