[REZENSION]: Greg F. Gifune: Blutiges Frühjahr
Inhalt: Nach dem Selbstmord von Bernard wird die gemeinsam verbrachte Kindheit für Alan, Rick und Donald wieder lebendig – doch anders, als sie die Zeit in Erinnerung haben. Hat Bernard damals grausame Ritualmorde verübt? Und niemand soll es bemerkt haben? Aber er war doch ihr Freund, sie kannten ihn genau. Lief er wirklich nach der Schule in den Wald und quälte dort Frauen zu Tode?
Dann erfüllt sich Bernards letzte, rätselhafte Ankündigung: Es wird ein blutiges Frühjahr geben. Tatsächlich findet man in den Wäldern mehr und mehr verstümmelte Frauenleichen. Alles deutet auf den Toten als Täter. Doch wie sollte so etwas möglich sein … Wie?
(OT: The Bleeding Season; 2003) Festa Tb 2011; 413 Seiten; ISBN: 978-3-86552-097-5; Übersetzung: Michael Weh; Ausstattung: Taschenbuch; Verlagsseite: hier
Rezension: Wie zuletzt Laymon: Furien besticht auch dieses Buch aus dem Hause Festa durch die griffige, aufgeraute Oberfläche und ein schick gestaltetes Cover, das erahnen lässt, wie der Inhalt wohl sein könnte. Und unbedingt gelobt gehört die Übersetzung, die vortrefflich für die Übertragung der packenden Stimmung gesorgt hat.
Blutiges Frühjahr braucht ein paar Vergleiche, um es richtig einzuordnen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser an Es, einen der besten und stimmungsvollsten Romane von Stephen King. Oder auch an seine wunderbare Novelle Stand by me. Näher zurückliegende Bücher wären Ronald Malfi: Neverland oder Tom Piccirilli: Der Geruch von Blut und Brett McBean: Die Mutter. All diese Bücher haben eines mit Greg Gifunes Roman gemeinsam: Eine beeindruckende Stimmung, eine Atmosphäre, die selbst in sonnigen Augenblicken einen schweren Schatten wirft. Einen Schatten voll morbider Geheimnisse. Und all diese Bücher waren erschreckend weil es keinen Zweifel daran gab, dass die Sache mit allen Konsequenzen bis zum oft bitteren Ende geführt wurde.
Blutiges Frühjahr ist ein kluges Buch für Leute, denen Friedhöfe zu fröhlich sind. Gifune lässt schon auf der ersten Seite keinen Zweifel darüber, welche Stimmung er verbreiten wird und vor allem, mit welcher Hartnäckigkeit er das tun wird. Das Buch spart nicht mit Grausamkeiten, keine Frage, aber es transportiert seinen wahren Horror über die Gefühle, die es bei der Lektüre auslöst. Es gibt kein Entkommen, keinen Moment der Unbeschwertheit, die dem Leser eine kurze Verschnaufpause zugesteht.
Blutiges Frühjahr ist ein Roman voll Tiefe und Schwere. Er macht sich unablässig Gedanken über die Natur des Menschen und verweigert sich platten Aussagen. Er lotet die Psyche seiner Protagonisten aus und findet Definitionen, die sowohl nachvollziehbar wie auch erschreckend sind. Es ist unheimlich, manche Dinge zu verstehen. So richtig unheimlich.
Blutiges Frühjahr ist auch eine Art Psychoanalyse des Mannes. Es beschäftigt sich mit männlichen Befindlichkeiten, mit der Auswirkung des Alterns, mit der vertrauten Sprachlosigkeit und den Schwierigkeiten, offen emotional zu sein. Es geht um Ängste, Trauma, Begierden, um eine gewisse Müdigkeit und Resignation. So anschaulich und verständlich, wie Gifune diese Themen ausbreitet, könnte er glatt einen Ratgeber für den Umgang mit Männern verfassen.
Blutiges Frühjahr führt auch eine ernsthafte Auseinandersetzung zum Thema Schuld, Mitschuld, Unschuld, zu Mitwissen, Ahnungslosigkeit und Verdrängen. Und nicht zuletzt geht es auch um die Wahrnehmung und darum, wie viel wir glauben zu wissen, ohne in Wahrheit eine Ahnung zu haben. Wie gut kennt man seinen besten Freund oder Partner wirklich? Was sieht man, was verleugnet man? Viele Fragen, keine einfachen Anworten.
Blutiges Frühjahre verweigert es dem Leser, die Dinge in Gut/Böse, Schwarz/Weiß und ähnlich simple Kategorien zu teilen. Das zieht Gifune bis zur letzten Zeile seines Buches durch. Das Ende lässt mehrere Möglichkeiten der Interpretation zu und die in meinen Augen logischste Version ist einfach nur schrecklich und genau jene, die man am wenigsten wünscht. Der ohnehin haardünne Schimmer Hoffnung, der in dem Buch kaum aufzuscheinen wagt … nun, wie gesagt gibt es mehrere Sichtweisen auf das Ende – auch darauf, ob es überhaupt ein Ende gibt.
Blutiges Frühjahr ist ein beeindruckender Horror-Roman mit einer grandios morbiden Stimmung und von furchtbarer Konsequenz. Festa und Gifune sei ein Bestseller gewünscht. Das Buch ist düster, clever und fesselnd und allemal klüger als ein beträchtlicher Teil der so genannten anspruchsvollen Literatur. Ich habe allerdings leise Zweifel, ob jemand mit Depressionen sich das antun sollte.
Greg F. Gifune: Teufelsatem [meine Rezension]
Greg F. Gifune: Bösartig [keine Rezension]
Greg F. Gifune: Finstere Nacht [keine Rezension]
Greg F. Gifune: House of Rain [keine Rezension]
Greg F. Gifune: Kinder des Chaos [meine Rezension]
Greg F. Gifune: Blutiges Frühjahr [meine Rezension]
Greg F. Gifune: Die Einsamkeit des Todbringers [meine Rezension]
Greg F. Gifune: Sag Onkel [meine Rezension]
.