[REZENSION]: Andreas Gruber: Ghost Writer
Inhalt: Ob es um eine besonders perfide Form des Organhandels, um parasitische Bücher, um die Schrecken der Kindheit im Zeitalter der Teletubbies oder um einen Maschinendichter geht – in Grubers Geschichten verbünden sich moderne und uralte Schrecken, um den Leser nächtelang mit leiser, böser Stimme wachzuhalten. Grubers erzählerisches Geschick hat sich inzwischen auch bei einem breiteren Publikum herumgesprochen.
Andreas Gruber: Ghost Writer
Shayol Verlag 05/2011; ISBN: 978-3-926126-96-2; Seiten: 224; Ausstattung: Paperback; Buch beim Verlag: Shayol
Tief unten in Dudewater, Louisiana ist einer der atmosphärischen Höhepunkte des Bandes, eine fast intime Geschichte über einen merkwürdigen Nachbarn. Die Erzählung lebt durch die geradezu spürbar drückende Schwere der Sümpfe, eine dazu passende Traurigkeit und das eigenwillige Ende.
Ghost Writer versammelt zwanzig im Lauf der Jahre entstandene Geschichten von Andreas Gruber und bietet in dieser Zusammenstellung einen sehr schönen Querschnitt durch das erzählerische Werk. Jede Erzählung hat ein oft witziges Vorwort bekommen und einige Geschichten wurden überarbeitet.
Der Autor hat ein Händchen für Kurzgeschichten. Die Erzählungen sind konzentriert, verzichten auf überflüssigen Schnickschnack und münden sehr oft in bitterböse Pointen. Gruber ist auch sehr gut darin, seinen Stil den Gegebenheiten anzupassen. Ob die Handlung in der Gegenwart oder Vergangenheit angelegt ist, die Sache ist authentisch.
Die lebenden Bücher von Arkham, guter Stoff. Schnell und grob, eine Hard-Boiled Horrorgeschichte, die aus der Feder von H. P. Lovecraft hätte stammen können. Hätte Mickey Spillane jemals eine Mike Hammer Story in die Welt von HPL eingebracht, wäre das Ergebnis vielleicht so wie diese Geschichte gewesen…
Sehr wohltuend fällt auf, dass Gruber nicht vor der einen oder anderen politischen Unkorrektheit zurückschreckt, wenn er einen politischen Kommentar ablässt (den hätte ich mir sogar deftiger gewünscht – vielleicht in einer Fortsetzung?) wie im köstlichen Sonntagmorgen unter dem Viadukt.
Mesmeristische Experimente ist eine entzückende … äh, das ist ganz sicher der falsche Begriff für eine makabre, in London angesiedelte Geschichte, in der mehrere historische Persönlichkeiten auftauchen und …, jedenfalls eine sehr gelungene Hommage an E. A. Poe.
Vampire, Serienmörder, Wissenschaftler und Militärs, mörderische Sandler und andere tödliche Gestalten geben sich ein Stelldichein in diesem kunterbunten Reigen der vergnüglichen Grauslichkeiten. Bianca Monroe und Fünf hingegen wären zwei gute Beispiele für Geschichten, die eigentlich gar nicht Phantastik sind, aber wegen der Verrücktheit ihrer Protagonisten phantastisch erscheinen.
Roald Dahl – das ist zumindest der Vergleich, der mir in den Sinn kommt. Andreas Grubers Geschichten sind wie eine Kille Kille Sammlung von Roald Dahl – vergnüglich und boshaft. Ich spekuliere aber, dass der Autor ein Fan der Coen-Brüder ist. Warum sonst sollte eine Figur einen Namen wie Hudsucker tragen?
Es gibt eine einzige Geschichte, die meiner Meinung nach nicht wirklich gut funktioniert und die mit Computern und Spinnen zu tun hat. Sie ist nicht schlecht, aber ihr fehlen der Witz und der Pepp der 19 tadellos sitzenden Erzählungen. Insgesamt ist das ist ein hervorragendes Verhältnis, das man einmal erreichen muss.
Oh, ach ja: Lieber Andreas Gruber, zwei Dinge würde ich gerne noch anbringen. Erstens, ich habe Zur Hölle mit Weihnachten gelesen obwohl kein Schnee liegt, dazu ist es derzeit zu schwül. Die Geschichte hat für mich trotzdem funktioniert und Spaß gemacht, ho ho ho. Und zweitens, www.spider.com führt inzwischen tatsächlich auf eine Site – hierher… (Update: ist inzwischen was anderes, uninteressantes, als bei Erscheinen dieser Rezension)
Kurz gesagt:
- ausgezeichneter Sammelband
- böse, pointierte Geschichten
- überaus unterhaltsam und vergnüglich
Fazit: auf jeden Fall eine Empfehlung
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