Man kann den stets etwas grantig wirkenden, alten Mann – Ridley Scott ist 80 Jahre alt und hat mehr Tempo und Energie als die meisten jüngeren Filmemacher – nur wertschätzen.
In einem absolut lesenswerten Interview auf Vulture lässt Scott ungebremst bissige Kommentare und einen Haufen “fuck” ab. Eigentlich ging es darin um die medial breitgetretene Entscheidung, für seinen Film All the Money in the World, sämtliche Szenen mit Kevin Spacey neu zu drehen – und das gelang ihm innerhalb von 9 Tagen, ohne dass der Starttermin des Films verschoben werden musste – ein bis dahin noch nie dagewesener Schritt. Christopher Plummer, der Spacey ersetzte, wird jetzt für seine Darstellung als Oskar-Kandidat gehandelt.
Aber Scott lässt jede Menge weitere Köstlichkeiten vom Stapel. So meckert er über den – von ihm (!) produzierten – Blade Runner 2049: “I have to be careful what I say. I have to be careful what I say. It was fucking way too long. Fuck me! And most of that script’s mine.”
Okkkkk … er hätte den Film um eine halbe Stunde gekürzt und Kernelemente der Story sind von ihm. Interessant. Scott ist nicht unbekannt dafür, sich mit den Drehbuchautoren zu beschäftigen und in die Geschichte einzugreifen. Er hat oft genug klare Vorstellungen davon, was er tun will (So die Alien-Filme umzubiegen zu Filmen über AI – was höchst interessant ist, aber nicht ausgerechnet hier hätte sein müssen), auch wenn er gelegentlich danebenhaut.
Zugegeben, Blade Runner 2049 ist sehr lang, aber ich hätte zu gerne den ersten Cut des Films gesehen – der dauert nämlich 4 Stunden. Ich denke, die Laufzeit ist nur zum Teil Schuld, es ist wohl eher eine Sache des Verstehens und des Willens, sich mit den Themen des Films auseinanderzusetzen.
Köstlich auch die zynische Selbsterkenntnis, eben weil er ungebremst kommentiert: “I shouldn’t talk. I’m being a bitch.”
All die Sprücheklopferei und Bissigkeiten gewähren aber auch einen interessanten Einblick ins Filmgeschäft dieser Tage. Er spricht, quasi jedes Mal so nebenbei, davon, wie Drehbücher von Produzentenrudeln ruiniert werden. Davon, dass es zwar sehr teuer sei, ihn zu engagieren, man dafür aber einen Film unterhalb (!!!) des Budgets und zum geplanten Zeitpunkt bekäme, weil er orgainisert ist und einfach weiß, was er tut. Köstlich ist, dass er immer wieder kleine Änderungen an seinen Filmen vornimmt, unbemerkt vom Studio.
Und er lässt einen Kommentar Richtung Lucasfilm, Kathleen Kennedy, Disney und den ganzen Star Wars Zirkus ab, der bei genauerer Überlegung an berechtigter Boshaftigkeit kaum zu überbieten ist. Auf die Frage, ob Kennedy ihm die Regie für einen Star Wars Film angeboten hat, antwortet er schlicht: “No, no. I’m too dangerous for that.”
Natürlich kommt die unvermeidbare Frage – wieso ist Ridley Scott zu gefährlich für Star Wars? “Because I know what I’m doing. [Laughs.] I think they like to be in control, and I like to be in control myself. When you get a guy who’s done a low-budget movie and you suddenly give him $180 million, it makes no sense whatsoever. It’s fuckin’ stupid. You know what the reshoots cost?”
Das spielt natürlich auf die Regisseure Lord und Miller an, die ja mitten während der Dreharbeiten vom Han Solo Film gefeuert wurden, gilt aber ebenso für Colin Trevorrow, der noch vor Drehbeginn von Episode 9 gefeuert wurde (Trevorrow kommt aus der Low-Budget Ecke und drehte dann den furchtbaren ersten Jurassic Park der neuen Trilogie, deren 2. Teil 2018 ins Kino kommt).
Man mag von Ridley Scott halten, was man will. Er hat einige moderne Klassiker (Alien, Blade Runner, Thelma & Louise, Gladiator), etliche Erfolgsfilme (The Martian, American Gangster, Hannibal, Black Rain) und ein paar weniger gute Filme gedreht (Alien: Covenant, Robin Hood, Black Hawk Down, Die Akte Jane) gedreht, dazwischen finden sich Filme, die sich schwer einschätzen lassen (1492, Prometheus, Exodus, Königreich der Himmel Director’s Cut, Legende) und noch etliche mehr, darunter sein eigentlich sehr guter Erstling Die Duellisten. Davor unzählige Werbespots, über die er sich wohl das extrem durchgeplante und organisierte, schnelle Arbeiten angeeignet hat.
Darüber hinaus hat er bis heute unter dem Label Scott Free insgesamt 126 Filme und TV-Serien produziert. Da grummelt also jemand, der das Filmgeschäft ganz genau kennt, der selbst perfekt organisiert ist und über genügend Macht verfügt, um Dinge zu sagen, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen zu müssen. Liest man ältere Interviews, so fällt auf, dass er immer schon eher ruppig geklungen und oft genug unverblümt war. Über die legendären Streitigkeiten bei den Dreharbeiten zu Blade Runner sind Bücher verfasst worden.
Eines ist allen Filmen von Scott gemeinsam – sie sehen hervorragend aus, sind tadellos inzeniert. Seine Filme wirken perfekt. Er plant exakt jede Einstellung vorab, lässt die Schauspieler arbeiten, nimmt of auch Szenen aus Proben, wenn diese besser erscheinen (Scott schätzt David Fincher, sieht eine gewisse Ähnlichkeit mit sich, auch wenn er dessen Vorliebe, manche Einstellungen bis zu 100mal zu wiederholen als übertrieben ansieht. Schwer vorstellbar dass der als Perfektionist bekannte David Fincher Probeszenen hernimmt). Scott ist runderhum effektiv und zieht sein Ding seit bald 50 Jahren durch.
Scott kann es sich also erlauben, Star Wars-Produzentin und Herrscherin über Lucas-Film Kathleen Kennedy indirekt als stupid zu bezeichnen – letzten Endes ist die oberste Instanz bei Lucasfilm Kennedy. Sie hat das letzte Wort.
Er hat Recht, schlicht und ergreifend. Filmemacher, die mit einem Team von 30, vielleicht 50 Leuten arbeiten und ein überschaubares Budget wie 20 Millionen zur Verfügung haben, müssen plötzlich 2000 Leute und 160 Millionen stemmen? Und werden, wie es wohl bei Lord und Miller der Fall war, von den Produzenten nicht wirklich unterstützt, sondern im Regen stehen gelassen?
Denn eigentlich ist es die Aufgabe von Produzenten, die Finanzen, die Organisation und das Drumherum im Griff zu halten, damit der Regisseur sich um seine Aufgabe kümmern kann – den verdammten Film zu machen, immerhin ist er der künstlerisch Verantwortliche. Ob wohl oder weh, das Ergebnis geht auf die Kappe des Regisseurs. (Aber das ist etwas, was dann nie öffentlich breitgetreten wird, sondern nur, wie die Produzenten einsprangen, um ein Debakel zu verhindern. Dass sie bis zu dem Moment allerdings genauso mitverantwortlich sind, darüber wird hinweggegangen.)
Der Produzent ist es aber letztendlich auch, der eingreifen muss, wenn die Dinge ausser Kontrolle geraten und wenn wie bei Lord und Miller zwei Drittel des Films gedreht sind, ehe man draufkommt, dass der Stil der Filmemacher so gar nicht dem entspricht, was man haben will (das war letzten Endes auch das Problem bei Rogue One, wo ohne Regisseur Gareth Edwards nachgedreht und die komplette Filmmusik ersetzt wurde – der allererste Trailer gab eine Idee, was Edwards gemacht hatte, nämlich einen düsteren Kriegsfilm), dann kann man nur von einem Versagen der Produktion sprechen – und damit sind wir bei Kathleen Kennedy und Lucasfilm und der puren Mittelmäßigkeit der bisherigen Star Wars Filme. Aber das ist ein anderes Thema und über die langweilige, uninteressante Belanglosigkeit der neuen Filme werde ich mich bei anderer Gelegenheit noch auslassen.
Es gibt etliche Filme von Ridley Scott, die mich inhaltlich absolut nicht ansprechen. Es gibt einige Filme, die ich für Meisterwerke halte und andere sehe ich als überaus unterhaltsam an. Das handwerkliche Können steht allerdings in jedem Fall außer Frage. Das Ridley Scott auch ein einzigartiger Filmemacher ist, darf man, denke ich, wohl behaupten.
Foto Ridley Scott: Wikipedia: Von LG전자 – LG 올레드 TV, 美 슈퍼볼 2억 시청자 사로잡는다, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46128828
Der Beitrag [RIDLEY SCOTT]: Because it’s fuckin’ real! erschien zuerst auf Kultplatz.net …
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