INHALT: “Dann ist er der unbekleidete Wahnsinn, der einem direkt in die Seele kriecht und sie mit zutraulichem Grauen füllt, dem niemand etwas entgegenzusetzen hat. Ein abscheuliches und trotzdem unwiderstehliches Wesen, das sich innig an einen schmiegt und nie wieder verlässt.” Eben erst erwacht, versucht ein Mann den brutalen Besuch seines Nachbarn zu überleben und sich dabei nicht selbst zu verlieren. Ein anderer junger Mann lebt bereits seit Jahren eingeschlossen in seinem Zimmer, nur um sich eines Tages über das Social Network mit seinen schlimmsten Ängsten konfrontiert zu sehen – ein Rachegeist sucht ihn heim. Im Copy-Shop findet ein Mitarbeiter einen Kettenbrief, der den Tod für seine ohnedies bereits zerrüttete Beziehung bedeuten kann.
Erik R. Andara: Am Fuss des Leuchtturms ist es dunkel …
REZENSION: Der Band enthält die Erzählungen Raumflucht, Am Fuß des Leuchtturms ist es dunkel, Nachtzug nach Carcosa.
Erik Andara ist ein ungeschliffener Diamant der Phantastik. Ein eher dunkel gefärbter Edelstein mit ein paar Einschlüssen, aber ich bin so richtig und echt neugierig, was der Mann zustande bringt, wenn er seine Finsternis in einen Roman einbringt.
Wenn der Mann loslegt – da nehme ich jetzt die Titelstory her, dann fetzt es. Wer sich immer schon vor den japanischen Gespenstermädchen mit den langen schwarzen Haaren angeschissen hat, wird das auch bei dieser Geschichte tun. Hervorragend getimter Höhepunkt und Finale. Wenn ich etwas an Am Fuß des Leuchtturms bekritteln will, dann den Anflug von Detailwahn, Rückblick und Panikattacke des Protagonisten, die berechtigt ist, aber mit zu vielen Details das Tempo kurz zur Vollbremsung zwingt. Das richtig gute Finale der Geschichte lässt die Geschichtefür die Leserschaft allerdings mit einem Scheiße, das war echt gut! ausklingen.
Übrigens hat der Autor es geschafft, auch noch einen eigenwilligen Verweis auf ein ganz bestimmtes Werk von Stephen King unterzubringen. Japanische Gespenstermädchen und King gelungen in einer Sequenz unterzubringen – Respekt, Herr Andara!
Raumflucht wartet mit einer richtig fiesen Pointe auf, die jegliche Erwartungshaltung auf den Kopf stellt. Hat mir irre gut gefallen, hat mich irre gemacht, weil ich nicht wusste, worauf die Sache hinauslaufen sollte und mehr sage ich nicht dazu, das wäre spoilern.
Nachtzug nach Carcosa ist eine wunderbar düstere Geschichte, die ich jetzt als Dark Fantasy bezeichnen würde und sich an Robert Chambers anlehnt. Hier verschmilzt das in Teilen durchaus unangenehme nächtliche Wien mit einer morbiden Phantastik, die ich im Ansatz am ehesten bei Clive Barker beheimatet sehe. Der schmierige, finstere Realismus, der Hellraiser ausmacht, ist dabei für mich der Ausgangspunkt.
Zwar ist der Autorenname ein Hinweis auf eine bestimmte Figur eines deutschen Autors zum einen, und über diesen Umweg auch ein Hinweis auf Lovecraft, aber den sehe ich da weniger. Mehr den jungen Clive Barker. Mehr Clark Ashton Smith (den ich Lovecraft vorziehe).
Andara ist ein Autor der Phantastik. Er verbindet Klassik mit Moderne, hält geschickt das Gleichgewicht und schafft es damit, geradezu körperlich spürbares Unbehagen zu verursachen. So zumindest habe ich es empfunden und ich kann nur sagen, Nachtzug nach Carcosa tatsächlich in einem Zug zu lesen, ist seeehr eigen. Der Mann hat es echt raus, rein mit der Kraft der Vorstellung zu arbeiten und dabei nicht auf Blut und Gedärm angewiesen zu sein. Das gefällt mir.
Wie ich eingangs gesagt habe, ich bin sehr neugierig auf einen Roman von Erik Andara. Dieses Bändchen jedenfalls ist extrem vielversprechend. Ganz persönlich muss ich aber anmerken, dass mich Cover und Titel irritieren, weil ich die ganze Zeit eine Verbindung zu John Carpenter’s The Fog (Nebel des Grauens) herstelle. Hm.
Am Fuss des Leuchtturms ist es dunkel … und aus dieser Finsternis heraus funkeln die Augen des Autors voll höhnischer Lust am Schrecken, den er verbreitet.
Kurz gesagt:
- stark in Sachen Stimmung
- ausgezeichnet morbide
- düstere Phantastik wie sie sein soll
Fazit: Andara ist hiermit eindeutig empfohlen!
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