VORBEMERKUNG
03/2025: Da (sollte es überraschen?) immer noch ein erstaunliches Interesse an diesem Beitrag besteht, habe ich beschlossen, ihn stückweise zu überarbeiten und zu aktualisieren. Auch ein paar weiterführende Links werden wieder gesetzt.
Angesichts der Tatsache, dass Arthouse Vienna nicht mehr aktiv zu sein scheint (Website nicht erreichbar, letzter Instagram-Beitrag von 40 Wochen), bedarf es auch einer Aktualisierung und Überarbeitung dieses Beitrags. Was genau ich mache, weiß ich noch nicht.
Er ließe sich natürlich u.a. um Erika Lust (Instagram & Website) erweitern, die ja ebenfalls künstlerisch inszenierte Indie-Pornos produziert, beziehungsweise könnte ich auch Arthouse aus dem Beitrag streichen, keine Frage. Was den Beitrag natürlich ad absurdum führen würde.
Bis es soweit ist, werde ich nur am Layout herumspielen, Doktorspiele mit der Struktur des Artikels veranstalten, und Kleinigkeiten korrigieren, vielleicht fällt mir dabei ein, was genau ich mache. Wenn das irgendwann mal der Fall sein sollte, dann wird der Artikel ein neues Erscheinungsdatum bekommen, denn dann sieht er vermutlich deutlich anders aus.
Das bedeutet, was in der kommenden Zeit hier zu lesen ist, ist eine Form von Work-In-Progress, die sich immer wieder ändern wird.
BEITRAG:
Interview/Auslassung
Vor einiger Zeit fand sich in der Printausgabe der Wiener Zeitung (hier die digitale Version im Online-Archiv der Wiener Zeitung) ein interessanter Artikel von Solmaz Khorsand mit dem Titel Gerammel auf der Meta-Ebene.
Es ging darin um die ehemalige Opernsängerin Adrineh Simonian, die kurzerhand ihr Arbeitsfeld wechselte und Singen gegen Ficken eintauschte. Und das mitten in Wien, der Stadt der Josefine Mutzenbacher. Shocking. ;-)
Der Artikel enthielt die großartige Beschreibung vom … ejakulierenden Rohrverleger …, ließ dafür im Gegenzug, weil u.a. auch der Themenkreis von Feminismus und Pornographie gestreift wurde, die diesbezüglichen “HeartCore” Filme mit Katja Kean außen vor.
Namentlich Constance von 1998, und Pink Prison (1999; dt.: Hinter Gittern gevögelt). Dabei wäre gerade an diesen beiden Filmen interessant, dass die Firma, die hinter der Produktion steht, die dänische Zentropa ist, die von Lars von Trier mitbegründete Produktionsgesellschaft.
Arthouse
So, jetzt bin ich abgeschweift. Wie dem auch sei, der Artikel hat mich dazu verleitet Arthouse Vienna zumindest einen ersten neugierigen Blick zu gönnen. Ohne einen der dort angebotenen Filme zur Gänze gesehen zu haben, ich habe mich zwecks erster Eindrücke auf die Vorschauen beschränkt, ist der Auftritt sehr positiv zu bewerten.
Schick gestaltete Seite, die Auswahl der Filme ist in Kategorien wie Let’s Fuck Porn oder Erotic Readings und Blind Date unterteilt, bietet also auffällig andere Kategorien und Vorstellungen von Porno an. Das Angebot ist noch überschaubar, hat aber enorm Potenzial, vor allem, da man schon anhand der Vorschauen und Ausschnitte Sorgfalt und hohes Niveau erkennt.
Die geschilderten Konzepte weisen auch auf eine alternative Zugangsweise zum Porno hin – es muss nicht einmal zum Akt selbst kommen. Das alles ist nicht darauf ausgerichtet, Wichsern Vorlagen zu liefern, das ist nicht die Absicht hinter dem Programm. Da kommt im Gegenteil die titelgebende Meta-Ebene ins Spiel.
Vex Ashley/ Four Chambers
Es gibt für mein Verständnis eine gewisse, auf unähnliche Art, subjektiv empfundene Nähe (!) zur britischen Porno-Filmerin Vex Ashley – Instagram, und ihrem Projekt Four Chambers – Website & Instagram. Ashley war Studentin der bildenden Kunst, ehe sie zur Pornografie wechselte.
Ihre Streifen sind von einer ebenfalls, durchaus eigenwilligen Bildsprache geprägt, die nicht viel mit dem zu tun hat, was der herkömmliche Pornofilm anbietet. Die Filme von Four Chambers weisen in ihrer Gestaltung Stilelemente des Experimentalfilms auf.
Invertierte Szenen, VHS-Optik, Spiel mit Licht und Schatten, eingeblendete Texte, digitale Bildüberlagerungen – technisch sind die Filme von Four Chambers durchaus komplex, aber sehr sorgfältig inszeniert, mit eigener Bild- und Farbsprache. Kunstvoll komplex, würde ich das nennen.
Die Inszenierung kennt man ebenfalls aus der Szene von Indie/Experimentalfilmen, die Kamera stets in Bewegung, angerissene Szenen, eigenwillige Großaufnahmen, die ganze Palette an spielerischen Filmmitteln wird aufgefahren.
All das wird kombiniert mit Fetischismus wie Spitplay, Öl, Kostümen, generell scheint Flüssigkeit ein großes Thema bei Four Chambers zu sein.
Überdies finanziert sie ihre Werke über Crowdfunding. Wer die Filme in voller Länge sehen will, kann das über die überaus populäre Plattform Patreon machen, über die Künstler via Abos und Sponsoring ihre Werke anbieten – so eben auch die umtriebige, nahezu überall präsente Vex Ashley und Four Chambers.
Da Four Chambers von Patreon verbannt wurde, findet man das gesamte Filmwerk auf der Website. Dort kann man auch gegen ein Abo Zugriff auf alle Filme der Videothek bekommen – im übrigen die einzige Form, die Filme zu sehen, da es ganz bewusst kein Angebot für Offline/Download gibt.
Vex Ashley, der Name ist ein Künstlername, ist Gründerin von Four Chambers, Darstellerin in ihren Filmen, Regisseurin, Cutterin und Produzentin. Sie ist eine Advokatin für Pornografie als unabhängige Kunstform, als Performanceart, sie spricht viel über Technologie und Sex. Filme von Four Chambers drehen oft Runden von Festival zu Festival.
Darstellungsformen
Nicht, dass die Projekte von Regisseurin Khorsand und Regisseurin/Darstellerin Ashley viel gemeinsam hätten. Die jeweilige Herangehensweise der Filmemacherinnen unterscheidet sich deutlich. Sie huldigen beide, um es überspitzt zu formulieren, einer Ästhetik, die der Porno-Industrie und dem radikalen, schnellen abfilmen von mehr oder weniger ansprechenden Fickszenen fern ist.
Statt dessen dominieren natürliche Darstellung oder künstlerische Überspitzung. Four Chambers hat einen Hang zu Kink und Slow Motion, zu einer Art von Arthaus-Inszenierung, die ganz anders gelagert ist, als es der Zugang von Arthouse war.
Gemeinsam ist ihnen jedoch auch der klar gehaltene Abstand zur Porno-Industrie*. Und ganz sicher spielt auch eine ausgeprägte Lust an der Selbstbestimmung eine Rolle, das Dasein als Herrin über sich selbst. Was ja im Grunde das Ideal des (beneidenswerten) Arbeitsalltags ist.
Vielleicht kommt auch ein gewisser Masochismus zum Zug, weil diese Freiheit doch auch weit mehr Arbeit und Disziplin im Alltag erfordert.
Nachbemerkung
Es gibt bestimmt zahlreiche weitere, interessante Filmemacherinnen, die den Indie-Weg eingeschlagen haben und bemerkenswerte Streifen produzieren, die eine Erwähnung verdient haben. Vorläufig beschränke ich mich auf diese beiden Filmemacherinnen. Sie haben mich angesprochen und mehr als ein flüchtiges Vergnügen (ha!) will der kurze Beitrag nicht sein. Gelegentliche Erweiterungen dieses Gedankensplitters sind allerdings durchaus im Bereich des Möglichen.
Ersterscheinungsdatum von [PORNO]: Arthouse Vienna & Four Chambers am 10.02.2017 auf Kultplatz.net.
Überarbeitete Version am …
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