Philip Kindred Dick: 16.12.1928 – 02.03.1982
“The basic tool for the manipulation of reality is the manipulation of words. If you can control the meaning of words, you can control the people who must use the words.”
Der Name Philip K. Dick hat inzwischen eine gewisse Bekanntheit erlangt. Das mag vor allem auf die schier endlose Liste von Verfilmungen seiner Werke zurückzuführen sein, obwohl der überwiegende Teil davon nicht sonderlich gut ist. Trotz der Popularität ist er noch einer der großen unbekannten Autoren unseres Jahrhunderts.
Philip Kindred Dick wird am 16.12.1928 gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Jane in Chicago geboren. Die Kinder sind Frühgeburten und kommen aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Eltern unglücklicherweise erst zwei Wochen nach Geburt ins Krankenhaus. Für Jane zu spät, sie stirbt am 26.01.1929.
Dieses die Familie auf drastische Weise traumatisierende Unglück äußert sich in teilweise absurden Handlungen. So verbietet Vater Joseph seiner Frau, Philip im ersten Lebensjahr zu küssen oder ihn aus der Wiege zu lassen, um ihn nicht krank zu machen.
Die Familie Dick zieht nach Berkeley, Kalifornien und Vater Joseph Edgar verlässt die Familie, verzieht sich nach Reno in Nevada, als Philip gerade fünf Jahre alt ist. Philip bleibt mit Mutter Dorothy Kindred, den Großeltern und einer Tante zurück, ehe er 1934 mit seiner Mutter nach Washington zieht.
Die Beziehung zu seiner Mutter wird für Dick stets zwiespältig bleiben, da er ihr die Schuld am Zerfall der Ehe seiner Eltern gibt und immer wieder unter dem Gefühl leidet, seiner Mutter wäre es lieber gewesen Jane hätte überlebt, nicht er.
Er erzählt Jahre später, dass sie ihm das sogar ins Gesicht gesagt hätte. Die Beziehung zwischen Dick und seiner Mutter beruht auf Distanz, die mehr den Bewohnern einer WG gleichkommt als einem herkömmlichen Mutter/Sohn Verhältnis.
Dick genießt zwar einerseits sehr weite Freiheiten, leidet andererseits aber unter mangelnder mütterlicher Zuneigung. Mutter und Sohn leben für einige Jahre bei Freunden, ehe sie 1939 wieder nach Berkeley zurückkehren.
Im Alter von 12 Jahren entdeckt Dick ein Magazin namens Stirring Science Stories, herausgegeben von Donald A. Wollheim, der später seinen ersten Roman kaufen wird. Während er die High School besucht, treten in vermehrter Stärke Phobien, Panikattacken und Ängste zum Vorschein, die ihn aufgrund ihrer Heftigkeit im Februar 1947 zwingen, die Schule zu verlassen. Philip wird den Abschluss mittels Privatunterricht machen, während er das ganze Schuljahr 1946/47 zur Psychotherapie geht. Dick hält weder von den Therapien noch von den Therapeuten sonderlich viel.
So ist es auch sein Job als Verkäufer in einem Laden für Radios, Fernseher und Schallplatten, der seinen Zustand bessert. Er interessiert sich für klassische Musik und schreibt Texte für eine Radiosendung, die vom Laden gesponsert wird. Dieser Job ist der einzig »reguläre«, dem er nachgehen wird, ehe er sich voll und ganz auf die Schriftstellerei einlässt und ein Leben führen wird, welches sich kaum je als »normal« bezeichnen lässt.
1948, Dick ist zwar 19 Jahre alt, aber nach kalifornischem Recht noch nicht volljährig, gibt seine Mutter die Zustimmung zu seiner Heirat mit der älteren Jeanette Marlin. Ein halbes Jahr später werden die beiden auch schon wieder geschieden – zu sehr gehen sie einander auf die Nerven. Trotzdem die Ehe eindeutig als Reinfall zu sehen ist, so war sie doch für Philip Dick ein wichtiger Wendepunkt – eine Stärkung seines Selbstvertrauens.
Er besucht 1949 für wenige Monate die University of California und heiratet im Juni 1950 Kleo Apostolides. Zu dieser Zeit lernt er Anthony Boucher kennen, der 1949 gemeinsam mit einem Partner das Magazine of Fantasy and Science Fiction [hier] gegründet hat. Erstmals verkauft Dick eine seiner Geschichten – Roog, inspiriert vom Hund der Nachbarn.
Als Dick auch noch eine zweite Geschichte an ein anderes Magazin verkauft, gibt er (nach eigener Aussage) in überschwänglicher Begeisterung seinen Job im Laden auf , um sich nur mehr der Schriftstellerei zu widmen. Bis Mai 1952 verkauf Dick vier Geschichten und nimmt sich dann einen Agenten, Scott Meredith. 1953 hat es Dick geschafft, auf stolze 30 Veröffentlichungen in 15 verschiedenen Magazinen zu kommen. 1954 schafft er es, 28x publiziert zu werden und 1955 kommt Dick auf 12 Veröffentlichungen und eine Auswahl seiner Geschichten in Buchform.
Zwischen 1953 und 1954 taucht erstmals das FBI bei Dick auf, um ihn und Kleo dazu zu animieren, studentische Tätigkeiten auszuspionieren, was beide ablehnen. Die ganzen Jahre über kämpft Dick immer wieder gegen Agoraphobie und seine Ängste und nimmt Medikamente.
Sein Schreibfluss wird dadurch nicht im geringsten gehemmt.
Bis 1958 hat Philip Dick mehr als achtzig Kurzgeschichten, sechs Science Fiction und sieben Mainstream Romane verfasst. Die Mainstreamtitel bleiben zu seiner großen Frustration unveröffentlicht. Immer wieder gibt er Forderungen nach inhaltlichen Änderungen nach, die Donald A. Wollheim, der Herausgeber bei Ace Books, an ihn richtet. Die Bezahlung ist mies, aber trotzdem erscheinen erst bei Ace und dann bei DAW (Wollheims Initialen) zwanzig Romane und Kurzgeschichtenbände. 1959 erscheint mit Time out of Joint sein erstes Hardcover.
Ende 1958 lernt Dick die Witwe und dreifache Mutter Anne Williams Rubenstein kennen und lieben, lässt sich von der ihm sehr entgegenkommenden Kleo scheiden und heiratet Anne am 01.04.1959. Sein Verhalten Kleo gegenüber wird ihn noch zwei Jahrzehnte später verfolgen, obwohl die beiden freundschaftlich verbunden bleiben.
Inzwischen hat er sich an ein gewisses Quantum an Medikamentenverbrauch gewöhnt. Philip und Anne züchten Enten, Perl- und Zwerghühner, er hat Angst vor ihrem Pferd und hätte gerne eine Eule. Sie haben auch Heidschnucken.
Im Februar 1960 kommt Dick’s erste Tochter zur Welt, Laura Archer Dick. Noch 1959 hat er seinen besten Mainstream Roman geschrieben, der jedoch erst 1975 erscheint, Confessions of a Crap Artist. Inzwischen ist er von seiner Medizin abhängig. Er spielt klassische Musik auf dem Spinett und hat seit den Berkeley Zeiten zum Ersten mal wieder ausserkörperliche Erlebnisse, in denen er sich selbst zusieht.
Dick bleibt psychisch labil. Er sieht ein »Nichts«, kauft ein Gewehr, um seine kleine Herde Tiere zu schützen, begräbt eine Ratte, die er in einer Falle gefangen hat zusammen mit einer Medaille des hl. Christopherus und erleidet eine Handgelenkslähmung, als die Schafe geschlachtet werden sollen.
Anne eröffnet einen Laden, in dem sie selbst gemachten Schmuck verkauft, etwas, wofür sich Dick anfangs genug begeistern kann, um auch selbst mit anzufassen. Doch nach und nach meint er darin eine Gefahr für seine Schriftstellerei zu erkennen und erleidet 1962 einen Nervenzusammenbruch. Der so entstehende Roman The Man in the High Castle und vor allem dessen Veröffentlichung helfen ihm, sein Selbstbewusstsein wieder zu stärken. Der September 1963 bringt ihm den Hugo Award für dieses Buch.
Alleine 1963 und 1964 schreibt Dick elf Romane, elf Kurzgeschichten und zwei Essays, von hunderten Briefen und zahllosen Tagebuchseiten abgesehen.
Zu dieser Zeit versinkt die Ehe im absoluten Chaos. Beide lieben einander zwar, treiben sich aber mit ihrem aufbrausenden Verhalten in den Wahnsinn. Er hat Angst, dass sie ihn umbringen möchte, sie fürchtet seine dunklen Seiten, es kommt immer wieder zu Handgreiflichkeiten und Dick wird zunehmend paranoider, was auch Freunden wie Harlan Ellison auffällt.
Während Dick inzwischen über alle Grenzen den Medikamenten verfällt, wird Anne als manisch-depressiv diagnostiziert und für kurze Zeit in die Psychiatrie eingewiesen. Im Frühjahr 1964 trennen sie sich, der Oktober bringt die endgültige Scheidung.
Ein Autounfall, der ihn für zwei Monate in einen Gips zwingt, verstärkt nur die psychische Labilität Dicks. Er nimmt mehrmals LSD. Im Frühjahr 1965 verliebt er sich in Nancy Hackett, im Juli 1966 heiratet er sie. Dicks Agoraphobie fesselt ihn ans Haus, er hat seit dem Unfall auch Angst vor dem Fahren und findet es quälend, in der Öffentlichkeit zu essen.
Im selben Jahr schreibt er Ubik und Do Androids Dream of Electric Sheep?. Im März 1967 kommt Tochter Isolde Freya zur Welt. Dicks wilde Medikamentenversuche und seine vollkommene Identifizierung mit den Romanfiguren beim Schreiben verursachen bittere Spannungen in der Ehe.
Der Tod seiner Katzen und zahlreiche Todesfälle im engen Kreis der Verwandten und Bekannten, finanzielle Schwierigkeiten, Untreue und Dicks Labilität gepaart mit extremen Anfällen von Realitätsverlust zerstören die Ehe. Verschnittenes Speed bringt ihn mit akutem Nierenversagen ins Krankenhaus. Ende 1970 ist es mit der Ehe vorbei.
1971 kommt Dick auf bis zu tausend Tabletten in der Woche und sein Haus gilt in der Nachbarschaft und in einschlägigen Kreisen als eine Art Drogenzentrum. Verlustgefühle über Nancy und Isolde bringen Dick auf eigenen Wunsch in die Psychiatrie. In all dem Chaos, das jetzt in seinem Leben herrscht, wird im November 1971 in Dicks Haus eingebrochen. Das Haus wird verwüstet, sämtliche Geschäftsunterlagen verschwinden, sein Tresor aufgesprengt.
Der Einbruch wird nie aufgeklärt und zwei der irrwitzigsten Theorien lauten, das es entweder Dick selbst gewesen ist, der sich daran aber nicht erinnern kann, oder das er von FBI und CIA heimgesucht worden ist, auf der Suche nach einem Manuskript für einen Roman, mit dem Dick zu nahe an die Wirklichkeit herangekommen ist. In diesem Roman – Flow my Tears, the Policeman Said – werden die USA als repressiver Polizeistaat geschildert.
1972 überwindet sich Dick und flüchtet vor seiner Einsamkeit zu einem Science Fiction Kongress nach Vancouver. Sei leeres, verwüstetes Haus wird beschlagnahmt und ausgeräumt. Auf dem Kongress wird Philip Dick richtig gefeiert und er überlegt tatsächlich, in Kanada zu bleiben. Doch dann erleidet er ein zweiwöchiges Blackout, einen totalen Filmriss und begeht in Folge einen Selbstmordversuch, den er nur deshalb überlebt, weil er selbst Hilfe für sich holt. Philip K. Dick landet in einem Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige und Alkoholiker.
Als die Universität von Fullerton in Kalifornien sich anbietet, seine Sammlungen und Schriften zu verwahren, kehrt Dick wieder in die USA zurück.
Noch im selben Jahr begegnet er seiner nächsten, der fünften, Ehefrau, Tessa. Die Beziehung startet mit Schwierigkeiten, gerät aber nach und nach ins Lot. Langsam beginnt Dick endlich international Anerkennung zu finden. Finanziell bringt ihm das zwar nicht viel ein, aber immerhin, die Anerkennung tut gut. Die Geldsorgen ist Philip Dick ist die meiste Zeit seines Lebens nicht losgeworden. Juli 1973 kommt Sohn Christopher zur Welt und trotz Dicks Freude haben ihn erneut die Depressionen im Griff. Im September desselben Jahres verkauft er die Filmrechte für Do Androids Dream of Electric Sheep? an die Universal Studios.
Im Februar 1974 erscheint Flow My Tears, The Policeman Said und erhält hervorragende Kritiken. Das Buch wird für den Nebula und Hugo Award nominiert und erhält den John W. Campbell Award. Dick’s Bücher verkaufen sich inzwischen gut und er hat im Moment einen etwas besseren finanziellen Rückhalt als all die Jahre zuvor.
Februar / März 1974: Visionen und Halluzinationen suchen Philip Dick heim und verändern sein Leben grundlegend. Er deutet diese Visionen so, das eine intelligente Lebensform mit ihm kommuniziert und nennt diese VALIS (Vast Active Living Intelligence System). Gesundheitlich leidet er unter extremen Bluthochdruck, der ihn für einige Tage ins Spital zwingt.
Die Erlebnisse von 2-3-74 beschäftigen ihn den Rest seines Lebens, wobei er herauszufinden versucht, ob seine Visionen göttlichen Ursprungs waren oder Wahnsinn. 1976 bricht seine Ehe mit Tessa auseinander. Dick unternimmt einen weiteren Selbstmordversuch, der durch eine bizarre Verkettung von Umständen scheitert. Er landet in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses.
Trotzdem wird für Dick das Leben – von den ständig anwesenden Depressionsschüben abgesehen – einfacher. Seine Bücher bringen ihm mehr Geld, die Vorschüsse steigen und ein zuverlässiger Freundeskreis gibt ihm den benötigten stabilen Rückhalt.
Der Roman Transmigration of Timothy Archer erfährt im Mai 1981 seine Fertigstellung, ein Schlüsselroman in Dick’s Schaffen, während gleichzeitig Hollywood an seine Tür pocht, weil es einen Roman verfilmen will. Do Androids Dream of Electric Sheep?, der als Blade Runner berühmt werden soll.
Das Angebot aus Hollywood ist zweideutig. Einerseits wird im enorm viel Geld geboten, wenn er einen Roman zum Film schreibt, andererseits soll die ursprüngliche Version des Buches kaltgestellt werden. Gerade zu dem Zeitpunkt, als Dick sich entscheiden soll, hat er einen Vertrag über drei Bücher, darunter einen Mainstream Roman, abgeschlossen. Er kann es sich leisten, das Angebot für eine Neufassung des Romans abzulehnen.
Gegen Ende 1981 ist Philip Dick vollkommen erschöpft. Er hat endlich einen Vertrag über einen Mainstream Roman, etwas das ihm immer sehr wichtig gewesen ist, und keine finanziellen Sorgen. Aber er ist müde von der jahrelangen Aufarbeitung seiner Visionen von 1974 und er lebt alleine mit einer Katze. Es gibt zwar gelegentliche Affären und seine Beziehung zu Tessa ist freundschaftlich, aber trotzdem sehnt sich Dick nach einer Familie.
Im November 1981 wird Dick zu einer Vorführung der Effekte für den Film von Ridley Scott eingeladen und zeigt sich über Blade Runner begeistert. Im Januar 1982 macht er Tessa einen neuerlichen Antrag.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1982 erleidet Philip Dick einen Schlaganfall, der ihn ins Krankenhaus bringt. Nach einer Serie weiterer Anfälle stirbt er am 02.03.1982 im Alter von 53 Jahren. Er wird neben seiner Zwillingsschwester Jane begraben.
Zum Zeitpunkt seines Todes umfasst sein Tagebuch ca. 10.000 Seiten.
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Anmerkung: Ergänzungen von Buchcover etc. werden immer wieder durchgeführt und nicht extra bekannt gegeben. Dick ist ein unendliches Thema und so sind es auch die Titelbilder seiner Bücher …
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