GASTBEITRAG von ROBERT CHRIST
Vorbemerkung: Robert M. Christ, geb. 1947, ist seit Jahrzehnten im Fandom umtriebig und von dort nicht wegdenkbar. Beschäftigt sich seit den frühesten Jahren mit SF-Autoren und Künstlern, war in den 1980er und 1990er Jahren aktiver Gestalter von Super-8 Filmen, später Video, für u.a. die Wiener SF-Gruppe. Er ist bei den Treffen der SFGW ebenso anzutreffen wie aktiv beim Verein der Freunde der Volksliteratur. Für deren Vereinsmagazin verfasst er seit Jahren in Abständen Beiträge und Artikel. Eine Auswahl davon soll an dieser Stelle einem größeren Publikum präsentiert werden.
Beiträge von Robert Christ: über Fritz Leiber – über Clark Asthon Smith – über Gustav Meyrink – über Alfred Bester – über Dashiell Hammett – über Captain Future – über Virgil Finaly – über die Weird Tales – über Lonati – über Hannes Bok – über Der Orchideengarten – über Jack Williamson – über Johnny Bruck – über Margaret Brundage … weitere Beiträge folgen …
Johnny Bruck
Ein Meister der Science-Fiction Illustration
Robert M. Christ
Meine erste Begegnung mit Johnny Bruck als Künstler fand in den späten 1950er Jahren statt. Zu einem Zeitpunkt, als ich begann als jugendlicher, begeisterter Fan von Weltraumabenteuern dem verführerischen Lockruf der Trivialliteratur zu folgen und mich in Form von billigen Heftromanen hinzugeben. Angeregt durch die Entdeckung sehr gelungenen, farbig gestalteten Titelbilder und schwarz/weiß Innenillustrationen von Johnny Bruck in den frühen Terra Science-Fiction Romanheften (Moewig-Verlag), welche erstmals meine besondere Aufmerksamkeit erregte.
Johannes Herbert (Johnny) Bruck wurde am 22. März 1921 in Halle an der Saale (BRD) geboren, wobei er anschließend seine ersten sechs Lebensjahre in Großbritannien verbrachte, ein Umstand, der zu einer lebenslangen Verbundenheit mit der Insel führte. Nach seiner Rückkehr wohnte er in Hamburg und besuchte regelmäßig ab dem siebenten Lebensjahr nach dem Schulunterricht den Hagenbecker Zoo, wo er begann Tiere zu malen.
In den Jahren 1936-1938 erlernte Bruck den Beruf eines Fotolithografen, und meldete sich nach Abschluss seiner Lehre im gleichen Jahr zur Kriegsmarine und begann in seiner Freizeit seine Tätigkeit als Zeichner von Skizzen fortzusetzen.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges – die deutsche Kapitulation bewahrte Bruck vor einem Erschießungskommando – und seiner Rückkehr aus der britischen Kriegsgefangenschaft, arbeitete Bruck als Journalist und Illustrator und begann erstmals beruflich mit der Gestaltung für den Uta-Verlag von farbigen Titelbildern diverser Nachkriegsromanserien wie etwa Jörn Farrow, Rolf Torring, Tom Prox, Billy Jenkins, sowie Moewig- Kriminalromane und Soldatengeschichten, Tarzan, Conan, diverse Pabel-Utopia-Publikationen, und anschließend ab 1957 die im Moewig-Verlag erschienene Terra Science-Fiction Romanserie (zusammen mit Karl Stephan), Karl Herbert Scheers fünfzigbändige ZBV-Serie, die Romanserien Terra Extra und Terra Nova, Titelbilder für eine Perry Rhodan Comic-Serie, sowie Schutzumschläge von Leihbüchern wie etwa Perry Rhodan, Rex Yale oder Sun Koh.
Seine Bilder unterzeichnete er unter anderem mit Bruck, Willis, J. Plasterer, J. Plaster, Jo Shot, Johnny Crash und Spiceo.
1959 übersiedelte Johnny Bruck von Goslar nach München, der Sitz des Moewig-Verlages, um näher bei seinem Arbeitgeber zu sein. 1970 wurden der Moewig- und Erich Pabel Verlag in Rastatt vom Heinrich Bauer-Verlag übernommen.
Mit dem Beginn der Perry Rhodan SF-Romanserie begann Johnny Brucks künstlerisches Hauptwerk. Als Karl Herbert Scheer, Clark Darlton und Chefredakteur Kurt Bernhardt 1961 Perry Rhodan aus der Taufe hoben, engagierte man mit sicherem Instinkt Johnny Bruck für die Gestaltung der Titelbilder und Innenillustrationen. Was als kurzlebige Serie geplant war, entwickelte sich zu einem Welterfolg, der bis zum heutigen Tag anhält. Keiner ahnte, dass Johnny Bruck fünfunddreißig Jahre lang alle Titelbilder gestalten würde. Im März 2017 wurde Band 2900 veröffentlicht – mit Dezember 2020 steht die Serie inzwischen bei Band 3096.
In den folgenden fünfunddreißig Jahren schuf Bruck annähernd 1800 Perry Rhodan Titelbilder und zahlreiche schwarz/weiß Innenillustrationen. Hinzu kamen 217 Titelbilder für alle Perry Rhodan Taschenbücher und über 790 Titelbilder für die Atlan-Romanserie. Es folgten Umschlagbilder für die zwischen 1962 und 1968 veröffentlichten Perry Rhodan Leihbücher, Front-und Backcover für eine Perry Rhodan-Comic Serie aus den Jahren 1967 bis 1973, sowie die Titelbilder der Perry Rhodan Silberbände und der Jubiläums-Taschenbücher.
Gelegentlich musste Bruck Titelbilder für Perry Rhodan-Neuauflagen ein zweites- oder drittes Mal zeichnen, da Originale aus dem Verlagsarchiv auf mysteriöse Weise verschwanden.
Bruck erhielt regelmäßig die Manuskripte der Perry Rhodan- und Atlan-Autoren, um je nach Dringlichkeit in einem Zeitraum von vier bis acht Wochen die individuelle Gestaltung der Titelbilder- und Innenillustrationen zu konzipieren und auszuführen.
Gelegentlich benützte Bruck als Vorlage als Fundus Titelbilder von US-Zeitschriften wie MAN’s Magazine, MALE, Amazing Stories, Wonder Stories oder LIFE Magazine und ließ sich des Öfteren von bekannten US SF-Illustratoren wie etwa Ed Emshwiller, Ed Valigursky, Ren Wick, Charles Schneeman, Alex Schomburg oder Richard Powers in punkto Auswahl der Motive, inspirieren. Umgekehrt wurde eine große Anzahl von seinen Titelbildern auch in den USA in diversen Magazinen und Taschenbüchern veröffentlicht.
Für die Gestaltung seiner Figuren und vor allem des Titelhelden der Serie ließ sich Bruck von den markanten Persönlichkeiten inspirieren: So sah Perry Rhodan wie der Ozeanflieger Charles Lindberg oder Paul Newman aus. Ebenso John Lennon, Sean Connery oder John Wayne lassen sich, oft minimal verfremdet, nachweisen. Auch FBI-Chef J. Edgar Hoover kam zu Ehren – als böser Diktator auf einem fernen Planeten.
Als Mal-Technik bevorzugte er neben Tusche und Zeichenfeder für Innenillustrationen, schnelltrocknende Tempera-Farben aus der Tube mit Pinseln und benutzte auch Spraypistolen für seine farbigen Titelbilder, die er auf Zeichenkarton zumeist im Format 35 x 50 cm übertrug.
Mit seinem einzigartigen Einfühlvermögen setzte Bruck die Phantasie der Autoren in bildlicher Realität um. Seine aktionsreichen Darstellungen wirkten niemals hölzern, schienen stets zu leben, und selbst die Gesichter von Außerirdischen besaßen Ausdrucksstärke – die sie wiederum menschlich machten. Wenn Bruck die Wunder und Schrecken des Universums darstellte, dann wirkten seine Bilder aus der Zukunft stets realistisch und lebendig, als blickte man durch ein Fenster in die Zukunft. Welten am Rande des Universums, explodierende Sterne, kreisende Galaxien und schwarze Löcher, für ihn schienen diese kosmischen Objekte nicht fremd zu sein und besaß die Fähigkeit Roboter, Raumschiffe und Menschen auf fremde Planeten besonders realistisch darzustellen, und seinen Stil oftmals kontinuierlich bis zum Fotorealismus veränderte.
Bruck war ein Meister darin, immer neue, fremdartige Landschaften zu entwerfen, bizarre Aliens und wundersame Tiere und fremdartige Kreaturen, dabei aber stets detailreich und anatomisch korrekt dazustellen. Häufig barsten seine futuristischen Szenerien von Leben und Bewegung, und seine Weltraumversion besaßen eine tiefe und Plastizität, die in scharfen Kontrast zum millimeterdünnen Umfang der Hefte standen, auf denen sie erschienen.
Sehr früh entwickelte Johnny Bruck großes Interesse für Fotomontagen, welche er auch gelegentlich in der Gestaltung von Perry Rhodan-Titelbilder anwendete.
Zeitweise wurden verstorbene Perry Rhodan-Autoren- in Jubiläumsbänden, wie etwa William Voltz (Band 1200), K. H. Scheer (Band 1600), oder Kurt Mahr (Band 1700) als Titelbild verewigt. Eine Ausnahme war Walter Ernsting aka Clark Dalton (Band 1007), mit dem er in lebenslanger Freundschaft verbunden war.
1973 wurde Johnny Bruck der HUGO für seine Verdienste um die deutschsprachige Science-Fiction-Literatur verliehen.
Sein Gesamtwerk wird auf über fünftausend, farbige Titelbilder geschätzt, hinzukommen zahlreiche Strichzeichnungen als Illustrator von Romanen.
Am 22. September 1995 verunglückte Johnny Bruck (er besaß keinen Führerschein) mit einer Vespa bei einem Verkehrsunfall und erlitt durch das Fehlen eines Helms eine schwere Kopfverletzung. Aus seinem Koma wachte er nicht mehr auf, und starb am 6. Oktober 1995 in Herrsching am Ammersee im Alter von 74 Jahren.
In den folgenden Monaten fanden die sehr begabten SF-Illustratoren Alfred Kelsner, Swen Papenbrock und Ralph Voltz, die mit neuesten graphisch, technischen Methoden arbeiteten, als Nachfolger von Bruck ihre ersten Einsätze als Gestalter von Titelbildern der Perry Rhodan-Romanserie. Weitere SF-Illustratoren folgten, vor allem Dirk Schulz, welcher mit neuen, modernen Darstellungen von Perry Rhodan und seinem Freund Atlan das Gesicht der Serie maßgeblich prägte.
Johnny Bruck war ein Künstler der Superlative und prägte das Bild der Science-Fiction-Literatur ab den späten 1950 Jahren in Deutschland im Bereich von preisgünstigen Romanheft-Serien wie kein Zweiter, und wurde schon zu Lebzeiten zur Legende, und gilt bis zum heutigen Tag weltweit als der meistpublizierte Künstler im Bereich der Science-Fiction – und Fantasy.
Quellen:
Frank G. Gerigk – Johnny Bruck, Perry Rhodan – Illustrator.
Marlon-Verlag 2013.
Michael Thiesen: Der Mann, der Tolot rennen ließ – Johnny Bruck.
Perry Rhodan Nr. 2824
Der Beitrag [LITERATURWISSEN]: Johnny Bruck, Meister der Illustration erschien am 22.12.2020 auf Kultplatz.net …