Hundert Jahre Einsamkeit – der Roman und die Serie
Zu meinen liebsten Büchern jenseits der Phantastik und Science-Fiction gehört ein Buch, das allgemein dem Begriff des magischen Realismus zugeordnet wird. Dieses Buch ist der Roman Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel Garcia Marquez, eines meiner persönlichen Jahrhundertwerke. Und dieses Buch gibt es jetzt als Serie auf Netflix.
Worum geht es?
Es geht um Aufstieg und Niedergang der Familie Buendia und des von ihr gegründeten Ortes Macondo, in der gottverlassenen Einsamkeit von Urwald und Sümpfen. Über sechs Generationen erstreckt sich die Geschichte.
Der Roman, 1967 in Kolumbien erschienen, galt ewig lang als unverfilmbar und Gabriel Garcia Marquez (1927 – 2014) hatte sich auch jeglichen Versuch eines Films Zeit seines Lebens verboten. Nach seinem Tod haben seine Söhne die Rechte für eine Serie an Netflix verkauft.
Die ersten 8 von 16 Episoden der in Kolumbien entstandenen Serie sind seit Dezember auf Netflix zu bewundern. Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, meine Ausgabe ist von 1988 und damals habe ich das Buch zuletzt gelesen. So ganz taufrisch ist meine Erinnerung nicht mehr.
Was mir allerdings tatsächlich hängengeblieben ist, ist der Stil, in dem diese Geschichte erzählt wird, voll phantastischer Einsprengsel, surrealer Momente, voller tragischer und komischer Begegnungen. Der Roman ist ein Kunstwerk, in dem es Marquez geschafft hat, Kleinigkeiten und normalen Alltag auf eine Weise zu erzählen, die mit Intensität und Spannung völlig in den Bann zieht.
Hundert Jahre Einsamkeit – Die Serie
Die ersten acht Episoden, jede grob um die eine Stunde lang, umfassen vermutlich die Hälfte des Buches, ich kann es einfach nicht mehr sagen. Auf den Inhalt einzugehen ist überflüssig und kann nur jämmerlich unzulänglich sein, zu wenig und zugleich zu viel geschieht. Der Versuch einer Schilderung mag eher dazu verleiten, auf das Sichten der Serie zu verzichten.
Hundert Jahre Einsamkeit ist eine bildgewaltige Serie, ein Rausch an Farben und bedeutungsschwangeren Bildern voll rauer Poesie. Surreal, wo es das Buch ist, hart und blutig, wo der Roman seine Schrecken ausspielt, es ist eine überaus gelungene Adaption.
Die getragene Erzählweise mag auf den ersten Blick zu langsam erscheinen, doch ist sie genau das Gegenteil. Sie ist es, die den Zuseher in die Geschichte und das Leben der Menschen zieht. Die Magie und Faszination entstehen durch die Entschleunigung und die Augenblicke, in der die Phantastik dominiert.
Dem Buch folgend bricht auch hier die Realität Kolumbiens und seiner blutigen Geschichte und Revolutionen ein und dann bekommt man als Zuseher all die Action und das Drama, die zu einem historischen Epos gehören. Diese Momente sind bannend und man möchte sie zugleich hassen, denn sie stören und zerstören das, worin man inzwischen eintaucht ist – die Geschichte der Familie in all ihrer Dramatik und voll von absurden, surrealen Begebenheiten.
Ich bin wahnsinnig von dieser Verfilmung angetan und hoffe ganz intensiv, dass die zweiten acht Folgen bald da sind und nicht weniger fesselnd sein werden (ein entsprechendes Update dieser Rezension wird dann nachgereicht).
Hundert Jahre Einsamkeit – Der Roman
Ein wortgewaltiges, bildstarkes Buch von ausgewählt schöner bis eigenwilliger Sprache, das es seiner Leserschaft nicht immer wirklich leicht macht. Sehr viele, lange Passagen ohne Dialoge, riesig lange Absätze, durchaus ein Bruch mit dem durchschnittlichen Leseverhalten. Keine leichte Kost einfach so für zwischendurch.
Aber es ist ein sehr belohnendes Buch, das seine Leser magisch (ha ha, ich weiß) in den Bann der Familie und des Ortes zieht und den Vestand mit wilden, schönen Bildern füllt. Gabriel Garcia Marquez hat 1982 den Nobelpreis für Literatur bekommen und dieses Buch zeigt sehr deutlich, weshalb. Der Roman ist Magie.
Die Übersetzungen
Meine Ausgabe von 1988 wurde von Curt Meyer-Clason übersetzt. Die seit einigen Jahren, seit 2017, erhältliche Neuübersetzung stammt von Dagmar Ploetz. Die Unterschiede sind nicht allzu groß, zugleich jedoch sehr deutlich. Vielleicht lässt sich das anhand des ersten und zweiten Satzes des Romans deutlicher erläutern:
Alte Übersetzung: “Viele Jahre später sollte der Oberst Aureliano Buendia sich vor dem Erschießungskommando an jenen fernen Nachmittag erinnern, an dem sein Vater ihn mitnahm, um das Eis kennenzulernen. Macondo war damals ein Dorf von zwanzig Häusern aus Lehm und Bambus am Ufer eines Flusses mit kristallklarem Wasser, das dahineilte durch ein Bett aus geschliffenen Steinen, weiß und riesig wie prähistorische Eier.”
Neue Übersetzung: “Viele Jahre später, vor dem Erschießungskommando, sollte Oberst Aureliano Buendia sich an jenen fernen Nachmittag erinnern, als sein Vater ihn mitnahm, das Eis kennenzulernen. Macondo war damals ein Dorf von zwanzig Häusern, aus Lehm und Pfahlrohr am Ufer eines Flusses gebaut, dessen glasklares Wasser dahinschoss in einem Bett glatt polierter Steine, weiß und riesig wie prähistorische Eier”.
Sehr ähnlich, doch grundverschieden, nicht wahr? Ohne die neue Übersetzung noch gelesen zu haben, vermute ich, sie ist darauf ausgelegt, das Buch etwas zugänglicher zu machen, mehr an aktuelle Sprachgewohnheiten anzunähern, so gut es der originale Text eben zulässt. Ob das gelungen ist, weiß ich nicht.
Ebenso weiß ich nicht, ob und wann ich das Buch in der neuen Übersetzung lesen werde. Es warten so viele, viele gute Bücher darauf, gelesen zu werden.
Das Fazit
Was auch immer die persönliche Box eher tickt, die Serie oder der Roman, Hundert Jahre Einsamkeit ist in jedem Fall eine großartige Erfahrung.
– Hundert Jahre Einsamkeit – Die ersten 8 Episoden bei Netflix.
– Hundert Jahre Einsamkeit – Der Roman als Hardcover, als Taschenbuch, als Kindle bei Amazon (Affiliate Links).
Danke fürs Lesen.
Bilder: eigenes Foto, Netflix, Kiepenheuer & Witsch, S. Fischer Verlag
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Der Beitrag [BUCH, SERIE]: Hundert Jahre Einsamkeit erschien am 12.01.2025 auf Kultplatz.net …
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