GASTBEITRAG von ROBERT M. CHRIST
Vorbemerkung: Robert M. Christ, geb. 1947, ist seit Jahrzehnten im Fandom umtriebig und von dort nicht wegdenkbar. Beschäftigt sich seit den frühesten Jahren mit SF-Autoren und Künstlern, war in den 1980er und 1990er Jahren aktiver Gestalter von Super-8 Filmen, später Video, für u.a. die Wiener SF-Gruppe. Er ist bei den Treffen der SFGW ebenso anzutreffen wie aktiv beim Verein der Freunde der Volksliteratur. Für deren Vereinsmagazin verfasst er seit Jahren in Abständen Beiträge und Artikel. Eine Auswahl davon soll an dieser Stelle einem größeren Publikum präsentiert werden.
Der Beitrag über Fritz Leiber erschien unter dem Titel Fritz Leiber: Grenzgänger der Phantastischen Literatur in 2 Teilen in den Ausgaben 2/2015 und 3/2015 im Vereinsmagazin. Für diese Neuveröffentlichung wurde der Text in Form und Stil angepasst, um Links und Cover sowie eine Spoiler-Warnung ergänzt, ist aber inhaltlich unverändert geblieben. Alleiniger Autor des Artikels ist Robert M. Christ.
Beiträge von Robert Christ: über Fritz Leiber – über Clark Asthon Smith – über Gustav Meyrink – über Alfred Bester – über Dashiell Hammett – über Captain Future – über Virgil Finaly – über die Weird Tales – über Lonati – über Hannes Bok – über Der Orchideengarten – über Jack Williamson – über Johnny Bruck – über Margaret Brundage … weitere Beiträge folgen …
Fritz Leiber – ein Grenzgänger der phantastischen Literatur
Von Robert M. Christ
Fritz Leiber zählte heute zu den vielseitigsten und einflussreichsten Autoren des späten 20. Jahrhundert im Bereich der Fantasy, dem Horror, der Science Fiction, der Satire und der Phantastischen Literatur und verfasste eine Anzahl von bedeutenden Romanen und Kurzgeschichten, welche bis in unsere heutige Zeit auch den Lesern anspruchsvoller Literatur zu begeistern vermögen.
Sein literarisches Werk wurde in einem Zeitraum von über vier Jahrzehnten mehrfach mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet; darunter mit dem Hugo Award, Nebula Award, World Fantasy Award und dem Locus Award.
Gelegentlich schrieb er unter dem Pseudonym Francis Lathrop und genoss bei seinen Autorenkollegen allgemeine Wertschätzung und einen guten Ruf als Autor von eigenwilliger, detailliert ausgearbeiteter Weird Fiction (Unheimliche Dichtung) Erzählungen. Diese konnten im Stil und in der Stimmung sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob der Autor in der jeweiligen Erzählform mehr zu Fantasy-Motiven, zum Horror, zur Science Fiction, zur Satire oder zu einer Mischform griff und manchmal auch als Erneuerer von Genres wirkte.
Stilistisch wegweisende Texte, die etwa die New Wave in der Science Fiction der 60er Jahre vorwegnahmen, stammen von ihm. Humor, Satire und Erotik kommen eher in Leibers SF-und Fantasy zum Tragen, während seine Horrorgeschichten dem Genre gemäß zum Düsteren und Pessimistischen neigen. Er zählte zu den wenigen Autoren, die es meisterhaft verstanden, das Beunruhigende, doppelbödig Bedrohliche unserer modernen Zivilisation aufzuzeigen. Dennoch wurde seine literarische Bedeutung im deutschsprachigen Raum bis zum heutigen Tag nicht erkannt.
Fritz Reuter Leiber jr. wurde 1910 am 24. Dezember in Chicago geboren. Er verdankte den Namen seinem aus Baden stammenden Großvater, der 1850 nach den USA auswanderte. Seine Eltern, Fritz und Virginia Leiber, waren beide Shakespeare-Darsteller und tourten erfolgreich mit der Robert Mantell’s Shakespearean Repertory Company durch die Vereinigten Staaten. Die frühe Berührung mit der Theaterbühne war prägend für Leibers Umgangssprache und literarischen Stil in seinen späteren Romanen und Kurzgeschichten.
Leiber studierte Psychologie und Philosophie an der Universität in Chicago und promovierte 1932 zum Doktor der Philosophie. Ab 1934 wirkte er als Schauspieler in der Company seiner Eltern mit, die er nach zwei Jahren verließ, nachdem er im Januar 1936 die walisische Dichterin Jonquil Stephens heiratete und mit ihr nach Hollywood zog. Hoffnungsvoll, Arbeit beim Film zu finden, begann er nebenbei seine ersten Kurzgeschichten zu schreiben.
Seinen eigenen schriftstellerischen Weg suchend, wurde Leiber mit der Hilfe seiner Frau auf den Weird Tales Schriftsteller H. P. Lovecraft aufmerksam. Die Folge war eine acht Monate dauernde intensive Korrespondenz, die durch Lovecrafts Tod im März 1937 abrupt beendet wurde.
Als Schauspieler trat Leiber in den folgenden Jahren in einigen Hollywood-Filmen in Nebenrollen auf, wie etwa 1935 in Louis Pasteur von William Dieterle und Flucht aus Paris mit Jack Conway, 1936 in George Cukors Camille mit Greta Garbo, und – zusammen mit seinem Vater -1937 in James Whales The Grat Garrick, 1940 mit Betty Davis in Hölle, wo ist dein Sieg, 1943 mit Claude Rains in Phantom der Oper und 1945 in Der Seeteufel von Cartagena, ein Piratenfilm mit Maureen O’Hara und Paul Henreid.
Leiber war ein gebildeter Gentleman, ein hervorragender Sport-Fechter und ein ausgezeichneter Schachspieler, und gewann 1958 das Schach-Championat von Santa Monica in Kalifornien, und beschäftigte sich in den späteren Jahren mit Astronomie, Geschichte und Metaphysik.
1938 wurde sein Sohn Justin geboren und Fritz Leiber kehrte mit seiner Familie nach Chicago zurück. Zwischen 1937 und 1956 arbeitete Leiber unter anderem bei Consolidated Book Publishers in Chicago als Redakteur für Standart American Encyclopedia, als Sprachlehrer am Occidental College in Los Angeles, als Qualitätsprüfer bei den Douglas Flugzeugwerken und ab 1944 als Redakteur beim Science Digest Magazine, ehe er 1956 freier Schriftsteller wurde.
Leiber sah Science Fiction, Horror und Fantasy nicht als eigenständige Genres, sondern als frei kombinierbare Erzählmöglichkeit an, und schuf dadurch eine große Anzahl von ungewöhnlichen Werken. Seine Erzählungen der frühen 1940er Jahre erschienen vorerst in den populären US Pulp-Magazinen Unknown, Astounding SF, Weird Tales oder Fantastic Adventure.
In den frühen 50er Jahren folgten Veröffentlichungen in den neuen, anspruchsvolleren Magazinen Galaxy SF, Worlds of IF, The Magazine of Fantasy and Science Fiction, Infinity SF. Später auch in Fantastic, Stories of Imagination, Amazing Stories, Mike Shayne Mystery Magazine und Playboy, gefolgt von zahlreichen Story-Bänden, die Leibers späteren Ruhm und Popularität begründeten.
Zu seinen bekanntesten, in den USA erschienen Story-Sammlungen, zählen Shadows with Eyes, 1962, A Pair of Air, 1964, Ship oft he Stars 1964, The Book of Fritz Leiber, 1974, The Worlds of Fritz Leiber, 1976, Heros and Horrors 1978, Ship of Shadows 1979, The Ghost Light, 1984, The Leiber Chronicles 1990, Kreativiys for Kats 1992, Dark Ladies, 1999, und Smoke Ghost & Other Apparitions, 2002.
Durch den Umstand, dass während des Zweiten Weltkrieges Fortsetzungsromane in diversen Magazinen nicht sehr populär waren, kürzte Leiber einige Texte, um sie weiterhin publizieren zu können. Auch griff er immer wieder auf Kurzgeschichten zurück, um sie Jahre später zu Romanen auszubauen. 1947 erschien im Verlag Arkam House, der sich bisher auf die Herausgabe der Erzählungen von H. P. Lovecraft spezialisiert hatte, mit dem Buch Night’s Black Agents eine erste Auswahl von Leibers frühen, in Pulp-Magazinen veröffentlichten Kurzgeschichten.
Leibers erster 1936 geschriebener Roman Die Umtriebe des Daniel Kesserich, (The Dealings of Daniel Kesserich) galt einige Jahrzehnte als verschollen und wurde 1997 erstmals in den USA veröffentlicht: In einem verborgenen Labor in Kalifornien arbeitet der Wissenschaftler Daniel Kesserich daran, die Grenzen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu sprengen, um die größten Geheimnisse von Raum und Zeit zu ergründen. Er ahnt nicht, welches schreckliches Schicksal über die gesamte Welt und ihre Bewohner bringen könnte, indem er die Pforten zu fremden Dimensionen und unbekannten Universen öffnet.
2005 veröffentlichte der Verlag Edition Phantasia den Roman in einer limitierten Ausgabe von 250 Exemplaren erstmals in deutscher Sprache.
1950 erschien Leibers erster in Buchform veröffentlichter Roman Das Licht der Finsternis (Gather, Darkness!), nachdem er zuvor 1943 in Fortsetzungen im Magazin Astounding Science Fiction veröffentlicht wurde: Die Menschheit versinkt in einem finsteren Zeitalter. Angst heißt die neu Religion und freies Denken ist eine Todsünde. Skrupellose Wissenschaftler kontrollieren und unterdrücken die Menschheit mit der Behauptung, es gäbe übernatürliche Kräfte. Doch dann erweisen sich die angeblichen Behauptungen als Täuschung und Illusion.
Im schon 1943 in Fortsetzungen im Magazin Unknown abgedruckten und 1953 erstmals in Buchform publizierten, erfolgreichen Horrorroman Spielball der Hexen/Hexenvolk (Conjure Wife) entdeckt Professor Norman Saylor, dass nicht nur seine Frau, sondern alle Frauen in seiner Umgebung praktizierende Hexen sind. Er hat keine Ahnung, dass seine Frau ihn mittels ihrer magischen Fähigkeiten vor dem Zauber der anderen Frauen beschützt.
Der Roman wurde dreimal verfilmt, wobei keine der Verfilmungen jener Romanvorlage adäquat umsetzt konnte.
Einige Kurzgeschichten von Leiber sind Teile von Serien, verbunden durch verästelte Zeitlinien, deren Ursprünge in dem Parallelweltenroman Schicksal mal drei/Welten des Grauens (Destiny Times Three, 1945/53) beschrieben wurde: Die beiden Protagonisten Thorn und Clawly, führende Wissenschaftler und Geheimdienstler in ihrer Welt, stoßen im Rahmen ihrer Tätigkeit durch die Beaufsichtigung eines geheimen Projekts auf die Existenz zweier paralleler Realitäten, wobei sich die zweite Realität als faschistische Welt entpuppt, und die dritte Realität als eine zerstörte, dem Untergang geweihte Welt. Eine prophetische Studie der Macht über Natur und Mensch, die so leicht missbraucht werden kann.
Der Roman Die Sündhaften (The Sinful Ones) erschien erstmals 1953 in Buchform, nachdem er zuvor in einer gekürzten Form unter dem Titel You’re All Alone im Pulp-Magazin Fantastic Adventures veröffentlicht wurde: Die beiden Protagonisten Carr und Jane müssen erkennen, dass alle Menschen in ihrer Umgebung mechanische Wachspuppen und Teil einer gewaltigen Maschinerie sind. Zu den wenigen anderen, die wie Carr und Jane außerhalb stehen, gehört auch jene geheimnisvolle Gruppe, die sie verfolgt. Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, dass die Verfolger ihr Außerhalb-Stehen zur Ausübung von Verbrechen missbrauchen und beabsichtigen, Mitwisser zu beseitigen. Carr und Jane werden gnadenlos im Großstadt-Maschinen-Dschungel Chicagos gejagt und verspüren, durch ihr angstvolles und trostloses Dasein geprägt, den Wunsch (wieder) ein Teil der Maschine zu werden.
Leiber schrieb gelegentlich einige Kurzgeschichten, die zu Kriegs-Variations-Zyklen (Changewar) zusammengefasst wurden. In seinem Roman Eine tolle Zeit/Eine große Zeit (The Big Time, 1958) berichtet die Ich-Erzählerin Greta Forzane vom großen Zeitkrieg, auch Veränderungskrieg genannt. Der Roman spielt auf einer Station im Kosmos, zu der halbverrückte Soldaten aus allen Zeiten und Orten geschickt werden, um Ruhe und Erholung zu finden.
Leiber gelang es, die Handlung des Zeitreise-Romans auf einen einzigen Raum mit einer Handvoll Protagonisten zu konzentrieren, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne agieren, was Text und Handlungsablauf wie ein Bühnenstück wirken lässt. Tatsächlich wurde der Roman 1982 vom Babcock Theater in Salt Lake City für die Bühne adaptiert. Trotz der ungewöhnlichen Thematik und dem Bezug zu Strukturen des Theaters, erhielt The Big Time den Hugo Award 1958 als bester Roman des Jahres.
1953 erschien erstmals der Roman Das grüne Millennium, (The Green Millennium), dessen Handlung in naher Zukunft angesiedelt ist. Zum ersten Mal spielen Aliens in Gestalt von Katzen eine zentrale Rolle: Der arbeitslose Phil Gish fristet ein trostloses und deprimierendes Leben, bis zu jenen Zeitpunkt, als eine grünfarbige Katze in seiner Wohnung auftaucht. Kurz darauf beobachtet er durch das Fenster ein über alle Maßen behaartes weibliches Wesen, das die satyrhaften Bockshufe geschickt in hohen Plateausohlen verbirgt. Im Verlauf der aktionsreichen Handlung gerät der Protagonist mit allerlei skurrilen Gestalten, rivalisierenden Esoterikern, bedrohlichen Kriminellen, zwielichtigen Regierungsbeamten und glücksbringenden, außerirdischen Invasoren von der Wega in Berührung.
Leiber setzt sich hier über zahlreiche gängige Klischees der SF jener Zeit hinweg und jenen damals üblichen Geschlechterklischees und der schamhaften Prüderie.
In dem satirisch-abenteuerlichen SF-Roman Die programmierten Musen (The Silver Eggheads, 1959/1962), nimmt der Autor sein eigenes Metier aufs Korn: Die Schriftsteller der nahen Zukunft sind lediglich dazu auserwählt, sogenannte Wort-Maschinen zu bedienen, die völlig sinnentleerten und banalen Wort-Schmalz hervorbringen. Aber auch die altbekannten Klischees der Science Fiction sind dem Autor als andere als heilig, und er nimmt im Verlauf der Handlung so manch wohlgehütetes Idol auseinander, obwohl die Schilderung jener Welt der Roboter, Robixen, Feminae und anderer glorreicher Errungenschaften der Zukunft eigentlich nur ein Spaß zu sein scheint.
Sein bedeutendster und 1964 mit dem Hugo Award ausgezeichneter SF-Roman war Wanderer im Universum (The Wanderer). Die Geschichte behandelte die Konfrontation und Verhaltensweise verschiedener menschlicher Charaktere mit einem von intelligenten Aliens gesteuerten, durch den Hyperraum, aus den Tiefen des Alls wandernden, rätselhaften, fremden Planeten, welcher während einer totalen Mondfinsternis plötzlich auftaucht und sich der Erde bedrohlich nähert und dadurch Erdbeben, Unwetterkatastrophen und Überschwemmungen auslöst. Im Verlauf der Ereignisse begegnet der Publizist Paul Hagbolt, der unfreiwillig auf ein Beiboot des Planeten Wanderers gerät, einem tigerähnlichen weiblichen Alien. Trotz einiger Missverständnisse und Komplikationen entwickelt sich eine wunderschöne Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang.
Mit dem Buch gelang es Leiber, einen Katastrophenroman mit Melancholie, rassenübergreifendem Sex zwischen Menschen und außerirdischen Katzenwesen, mit einer Schilderung der Swinging Sixties in Kalifornien, zu verbinden.
Seine besondere Vorliebe für Katzen ist besonders in den Erzählungen leicht erkennbar, was dazu führte, dass die bisher umfangreichste Sammlung seiner Katzengeschichten 1992 in den USA unter dem Titel Gummitch & Friends veröffentlicht wurden. Zu diesen Erzählungen gehören Space-Time for Springers 1958, Kreativity for Kats 1961, Cats Cradle 1974, mit einem Auftritt von Tigerishka aus dem Roman The Wanderer und The Cat Hotel 1983.
In dem 1966 erschiene Roman Tarzan and the Vally of Gold, handelt es sich um eine nicht ins Deutsche übersetzte Romanfassung eines Filmscript von Clair Huffaker. Auch für Anglistik-Studenten interessant ist an dieser Burroughs-Fortsetzung, wie Leiber den Charakter Tarzans beibehält, während er unreife, primitive Züge ausmerzt und in den wesentlichen Aspekten Edgar Rice Burroughs übertrifft, und gelegentlich philosophische und moralische Elemente einbezieht.
Der Roman Ein Gespenst sucht Texas heim (A Spectre is Haunting Texas, 1969 [Anm.: altern. A Specter is Haunting Texas]), ist ein weiterer satirischer SF-Roman. Das Werk ist, trotz der teilweise fast schon ins Absurde grenzenden Handlung, tief in den damaligen realen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten verwurzelt. Der Autor macht sich im Gewand der satirischen SF über die gesellschaftlichen Gegensätze und den daraus resultierenden Ideologien seiner (und natürlich auch unserer) Zeit lustig, indem er sämtliche Weltanschauungen gleichermaßen durch den Kakao zieht. Der Autor nutzt den Roman als Plattform, um seine pessimistischen Überzeugungen und seine Kritik an verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Strömungen zu äußern.
Über eine Zeitspanne von fast 50 Jahren veröffentlichte Leiber mehr als 30 Erzählungen in unterschiedlicher Länge um das Helden-und Schurkenduo Fafhrd und der Graue Mausling (Fafhrd and the Gray Mouser), die innerhalb des Fantasy-Genres das Sub Genre der Sword and Sorcery begründeten. Es gelang ihm, die etwas plumpe Heroic Fantasy zur Kunstform zu erheben und gleich J.R.R. Tolkien eine realistische und glaubwürdige, sekundäre Welt zu schaffen. Leiber und sein Studienkollege Harry Fischer erfanden die beiden langlebigen Charaktere, ihre Welt Nehwon und deren größte Stadt Lankhmar in den späten 1930er Jahren.
Dabei ließen sie sich von der Edda, Peer Gynt und Robert E. Howards Conan-Erzählungen inspirieren. Martha Fischer, Harrys Frau und bildende Künstlerin, zeichnete die Karten des imaginären Lands Newhon. Die beiden Hauptfiguren Fafhrd und der graue Mausling wurden Leibers erfolgreichste Schöpfung und begleiteten ihn seine gesamte Karriere. Leiber erklärte später, dass die Gestalt des Grauen Mausling ein Porträt seines Freundes Harry Fischer sei, während es sich bei Fafhrd um ein Selbstporträt handle.
Leibers erste veröffenlichte Fafhrd-Story erschien 1939 in Unknown, ein von John W. Campell herausgebrachtes, populäres Fantasy-Magazin, nachdem sie bereits 1935 vom damaligen Chefredakteur von Weird Tales, Farnsworth Wright, abgelehnt wurde. Zuerst unter dem Titel Two Sought Adventure, später als The Jewels in the Forest.
Leiber kehrte in den folgenden Jahren immer wieder zu seinen Figuren zurück, entwickelte und vertiefte nach und nach die Charaktere und legte schließlich 1988 mit The Knight and Knave of Swords eine letzte Sammlung von drei Geschichten und einem Kurzroman aus der mittlerweile als Schwerter-Saga bekannten Reihe vor. Der Schwerter-Zyklus von Fritz Leiber ist Fantasy Literatur reinster Art.
Ab 1973 begann der Heyne Verlag mit der deutschsprachigen Veröffentlichung der Fafhrd und Grauer Mausling Serie: Schwerter im Nebel/Schwerter im Kampf, 1973, Schwerter gegen Zauberei, 1973, Die Schwerter von Lankhmar, 1973, Schwerter und Teufelei, 1972, Schwerter gegen den Tod, 1972, Schwerter und Eiszauber, 1981, Ritter und Knappen des Schwerts, 1997.
Auch wenn die Serie Schwerter-Zyklus genannt wird, so spielen die Schwerter und andere Waffen eine eher untergeordnete Rolle, da den beiden Protagonisten durch unvorhergesehene Ereignisse ihre Waffen oftmals abhandenkommt.
Die Edition Phantasia veröffentlichte in der Reihe Phantasia Paperback eine vollständige, neu betitetlte, von Joachim Körber neu übersetzte Ausgabe des Zyklus: Der unheilige Gral, 2004, Die Herrn von Quarmall, 2005, Der traurige Henker, 2006, und Das Meerweib, 2006, versehen mit großartigen Titelbildern des Künstlers Lars Nestler.
Einer Textvorlage von Howard Chaykin in der US-Originalausgabe 1990/91 folgend, gestalteten Mike Mignola (Bleistift) und Al Williamson (Tusche) sieben Erzählungen eine gelungene, vierbändige Hardcover-Comic-Version von Fafhrd und der Graue Mausling. Eine von Matthias Wieland übersetzte, deutschsprachige Ausgabe der Miniserie, erschien erstmals 2007 im Verlag Cross Cult.
Das Privatleben von Fritz Leiber war immer wieder von Phasen exzessiven Alkoholmissbrauchs geprägt. Auch seine erste Ehefrau Jonquil trank und war medikamentenabhängig. Als sie im September 1969 an einer Überdosis starb, begab sich Leiber in eine mehrjährige Therapie, die im half, trocken zu werden, was eine starke Reduktion seiner schriftstellerischen Produktivität zur Folge hatte. Zu dieser Zeit zog er nach San Francisco, das sein letzter Wohnort bleiben sollte.
Nach Überwindung der Alkoholsucht Mitte der 1970er Jahre kehrte Leiber wieder zum Schreiben zurück und verfasste seinen letzten großen, bedeutenden Roman, Herrin der Dunkelheit (Our Lady of Darkness, 1977). Hier verarbeitete er teilweise die eigene Situation als verwitweter und nicht mehr ganz junger Schriftsteller und verband sie gekonnt die großen Mythen der modernen Phantastik:
Die Geschichte spielt in San Francisco der Gegenwart. Der Schriftsteller Franz Westen wird von einem übernatürlichen, fremdartigen Wesen bedroht und gerät in den Bann unkontrollierbarer Ereignisse. Der Roman ist eine Horrorgeschichte, die mit für das Genre ungewöhnlichen, schwer fassbaren übersinnlichen Entitäten aufwartet. Das Werk wird allgemein als Meilenstein der phantastischen Literatur des späten 20. Jahrhunderts bezeichnet und als ein Höhepunkt in der schriftstellerischen Tätigkeit von Fritz Leiber. Es wurde 1978 mit dem World Fantasy Award als bester Roman des Vorjahrs ausgezeichnet.
Leiber verbrachte seinen Lebensabend in relativem Wohlstand, was nicht nur daran lag, dass viele Werke immer wieder neu als Taschenbücher aufgelegt wurden. Besonders die Rollenspiele-und Comic-Adaptionen von Fafhrd und dem Grauen Mausling brachten ihm reichlich Tantiemen ein. 1992 heiratete Leiber ein zweites Mal und schrieb kontinuierlich weiter. Im Sommer erlitt er einen Zusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 5. September 1992, eine Woche vor dem 82. Geburtstag, in San Francisco.
Thrice the Brinded Cat, eine kurz zuvor entstandene Kurzgeschichte, wurde sein Abschiedsgeschenk an die Leser.
Von den 216 in den USA erschienen Kurzgeschichten wurden bis zum heutigen Tag weniger als die Hälfte in die deutsche Sprache übersetzt und in den letzten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in vier Story-Bänden und verstreut in diversen Story-Anthologien publiziert. 1964 veröffentlichte der Pabel Verlag erstmal in der Heft-Reihe Utopia Zukunftsroman im Band 445 fünf Kurzgeschichten unter dem Titel Tödlicher Mond, der auch die hervorragende Erzählung Das Schiff startet um Mitternacht (The Ship Sails at Midnight, 1950) beinhaltete. Eine wunderschöne, tragisch endende Liebesgeschichte, in der eine liebevolle und inspirierende Besucherin aus dem Weltall zum Zankapfel und Opfer von Kleinstadt- und Kleingeist- Intellektuellen wird.
Es folgten drei weitere Taschenbuch-Story-Sammlungen von Fritz Leiber: Spekulationen, (The Secret Songs, 1975), Die Spiegelwelt, (Night Monsters, 1977), beide im Goldmann Verlag erschienen und zuletzt in der Playboy-Taschenbuch-Reihe Die besten Stories von Fritz Leiber 1980, Band 6079, im Moewig Verlag.
Im November 1959 veröffentliche das Magazin Fantastic, Stories of Imagination eine Fritz Leiber-Sonderausgabe mit ausschließlich fünf seiner bisher unveröffentlichten Kurzgeschichten. Sie beinhaltete unter anderem die herausragende Erzählung Ruhe ist die erste Bürgerpflicht (Tranqulity, Or Else!):
Spukhafte und furchterregende Erscheinungen versetzen die Bewohner einer ruhigen und beschaulichen Vorstadt in Angst und Schrecken, ohne das sie ahnen, Versuchsobjekte eines medizinischen, wissenschaftlichen Experiments zu sein.
Eine im Heyne Verlag erschienene, erste deutsche Übersetzung erfolgte 1966 in der bemerkenswerten Story-Sammlung Anthologie der Berühmten, Band 17, 7 Science Fiction Stories, herausgegeben von Helmuth W. Mommers und A. D. Krauß.
In einer Spezialausgabe zu Ehren Fritz Leibers, veröffentlichte im Juli 1969 The Magazine of Fantasy and Science Fiction erstmal seine mit dem Hugo Award ausgezeichnete Kurzgeschichte Das Schiff der Schatten (Ship of Shadows): Eine in einem großen Raumschiff spielende, surreale Geschichte, die von Menschen, sprechenden Haustieren, Hexen, Vampiren und Wehrwölfen bevölkert wird, erzählt. [ACHTUNG, SPOILER]: Gegen Ende stellt sich heraus, dass die Windush eines von zwei riesigen Raumschiffen ist, in denen Menschen von der verwüsteten Erde evakuiert wurden und langsam durch Drogen und Langweile dem Wahnsinn verfallen.
Leibers Wertschätzung in SF-Kreisen führte dazu, dass die brillante Kurzgeschichte Würfelspiel/Ich muss mal wieder würfeln, (Gonna Roll the Bones, 1980), in der sich ein zwanghafter Spieler mit dem Teufel/Tod um den Preis seiner Seele auf ein makabres Würfelspiel einlässt, in Harlan Ellisons berühmter und einflussreicher SF-Anthologie Dangerous Vision Aufnahme fand. Sie wurde nachträglich mit dem Hugo Award und Nebula Award ausgezeichnet.
In den letzten Lebensjahren wurde Fritz Leiber für sein Lebenswerk mit zahlreichen Preisen geehrt, dem Grand Master of Fantasy Award, dem Life Achievement Lovecraf Award, einen Grand Master Nebula Award und einem Bram Stoker Award.
“Ich lernte Fritz Leiber 1949 beim Science Fiction Welt Kongress in Cincinnati kennen. Der Autor von so bedeutenden Erzählungen wie Sammle dich, Finsternis! und Die Zauberin machte einen ehrfurchtgebietenden Eindruck – hochgewachsen, attraktiv im klassischen Sinn, fast theatralisch. Diese Wirkung erzielte er nicht absichtlich, er kleidete sich konventionell und sprach sehr leise, aber er konnte nichts dagegen tun. Seine Persönlichkeit war einfach umwerfend. Er sprach mit mir, einem Anfänger, der erst ein halbes Dutzend Stories publiziert hatte, genau so höflich wie mit berühmten Autoren, Verlegern oder demütigen Fans. Fritz Leiber hat viel autobiographisches in sein literarisches Werk eingebaut, vielleicht mehr als andere Science Fiction- und Fantasy Autoren. Aber er schreibt so großartig, dass sie nicht zu wissen brauchen, worin diese persönlichen Elemente bestehen.” (Poul Anderson, SF-Autor, aus der Playboy Taschenbuchausgabe Die besten Stories von Fritz Leiber).
Quelle: Harry Kettlitz und Christian Hoffmann; Fritz Leiber, Schöpfer dunkler Lande und unrühmlicher Helden / SF Personality 18, Shayol Verlag 2009
Um deutsche Veröffentlichungen von Leiber ist es derzeit insgesamt eher schlecht bestellt. Die Edition Phantasia hat den 1. Band von Fahrd… derzeit in einer Neuauflage und so ist diese Werkausgabe von Fahrd nicht komplett lieferbar.
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- Bd. 1: Swords and Deviltry
- Bd. 2: Swords against Death
- Bd. 3: Swords in the Mist
- Bd. 4: Swords against Wizardry
- Bd. 5: Swords of Lankhmar
- Bd. 6: Swords and Ice Magic
- Bd. 7: The Knight and Knave of Swords
Der Beitrag [LITERATURWISSEN]: Fritz Leiber: Grenzgänger (GASTBEITRAG: Robert M. Christ) erschien zuerst auf Kultplatz.net …
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