Originaltitel: Rogues; 2014; Penhaligon 11/2016; Seiten: 1056; Übersetzung: Andreas Helweg, Andreas Kasprzak
Inhalt: Jeder mag Schurken, dabei sind sie oft käuflich, handeln moralisch fragwürdig oder sind politisch inkorrekt. Und gerade deswegen stellen Schurken den eigentlichen Helden so häufig in den Schatten. Denn was wäre Star Wars ohne Han Solo oder Game of Thrones ohne Tyrion Lennister? George R.R. Martin und Gardner Dozois haben einundzwanzig Stories zusammengetragen – unter anderem von Patrick Rothfuss, Joe Abercrombie und Scott Lynch –, die sich den beliebtesten Charakteren aller Genres widmen: den Schurken.
Rezension: gewaltig viel und gewaltig guter Lesestoff. Die Autoren sind erstklassig und ihre Geschichten tadellos. Wie die Inhaltsangabe es sagt, jeder mag Schurken und die versammelten Autoren, Meister ihrer Klasse, haben die feinsten Schurken parat.
Anthologien, die von GRRM und Gardner Dozois herausgegeben werden, haben die generelle Tendenz, herausragend zu sein. Beide Autoren (auch Dozois hat Romane verfasst, obwohl er vorwiegend als Herausgeber bekannt ist) weisen ein Gespür für gute Stoffe auf, was angesichts von Martins Werken wenig überraschend sein sollte. Auch wenn etliche Namen es suggerieren, Der Bruder des Königs ist keine reine Fantasy-Anthologie. Es ist eine Themen-Anthologie, das heißt, es geht um Schurken, aber es dürfen neben Fantasy-Schurken auch Krimi-Schurken oder SF-Schurken eine Rolle spielen.
Wie der Umfang des Buches schon erahnen lässt, befindet man sich als Leser in einer erstklassigen Position. Man kann Autoren, die man bisher nicht gekannt hat, richtig gut kennenlernen. Bei einem Umfang von rund 40-50 Seiten pro Erzählung ist gut feststellbar, wessen Stil man mag und auf wen man weiterhin verzichten möchte. Natürlich lässt sich von den Novellen nicht 1:1 auf Romane schließen, aber zum kennenlernen ist der Umfang der Geschichten gut. Und die Auswahl reicht von allseits bekannten Namen wie Neil Gaiman oder Patrick Rothfuss, über Namen, die eine Zeit lang bei uns populär waren, wie Walter Jon Williams oder bis zu Autoren, die bei uns weniger geläufig sind, Carrie Vaughn zum Beispiel.
Aber auch Überraschungen finden sich hier – Joe R. Lansdale, den man vielleicht nicht auf den ersten Blick mit Fantay in Verbindung bringt, aber wenn es um Schurken und zwielichtige Charaktere geht, dann ist er eine erste Adresse. Und hier liefert er eine seiner lakonischen, dreckigen und kultigen Hap und Leonard Stories ab. Lansdale wäre ein typsiches Beispiel dafür, dass man den Autor über die Story kennenlernen kann.
Auch Daniel Abraham ist dabei – wem der Name im ersten Moment nichts sagt, kennt aber vielleicht die SF-Serie The Expanse, die es auch als TV-Serie gibt, geschrieben von James S.A. Corey. Corey ist das Pseudonym von Daniel Abraham und Co-Autor Ty Franck (der seinerseits Assistent von George R.R. Martin war). Sprich, Martin und Dozois kennen die Qualität der Autoren, die sie für diesen Band gewonnen haben.
Viele der Namen sind Lesern der Wild Cards untergekommen, jener gewaltigen, sehr eigenwilligen Serie von Superhelden-Romanen, die von George R.R. Martin seit 30 (!) Jahren betreut wird.
Oh, und eine Geschichte von George R.R. Martin ist ebenfalls vorhanden – die Titelstory, im Buch der letzte Beitrag. Es ist eine Geschichte aus Westeros. Also, GoT. Also, unbedingt lesenswert.
Zurück zum Buch. Teils großartige Geschichten, clevere kleine Romane, die einen weit gestreuten Überblick über das Schreiben zahlreicher Autoren bieten. Auch für Leser, die nicht alle Geschichten bzw. Autoren mögen, bleibt am Schluß, dass diese Sammlung ein sehr hohes Niveau des Erzählens aufweist. Und das ist es, was Martin und Dozois auszeichnet. Hochwertige Anthologien mit erstklassigen Autoren.
Der Bruder des Königs ist ein solch exzellenter Ziegelstein.
Kurz gesagt:
- so richtig monumental
- überaus abwechslungsreich
- erstklassiges Niveau
Fazit: tolles Buch
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