[REZENSION]: Edward Lee: Das Schwein
Inhalt: Man nehme: einen skrupellosen Pornoproduzenten; ein auf Perversitäten spezialisiertes Studio mitten in der Einöde; zwei abgefuckte, drogenabhängige Prostituierte; dumme, aber liebenswerte Hinterwäldler; einen naiven Filmstudenten aus der Großstadt; eine sexsüchtige Sektenbraut; einen allzeit willigen Schäferhung; ein Hausschwein mit besonderen Talenten. Und fertig ist die größte literarische Sauerei des Jahrhunderts.
Edward Lee: Das Schwein
(OT: The Pig, 1997) Festa 02/2013; ISBN: keine; Seiten: 153; Übersetzung: Markus Mäurer; Ausstattung: Paperback, Lederoptik; Buch und eBook nur bei Festa …
Festa extrem, Band 1. Ein Privatdruck ohne ISBN, der nicht in den Handel kommt. Aber zuerst mal zum Buch. Das ist ein Edward Lee Roman. Soll heißen, die Leser werden mit unglaublichen Sauereien, Sadismen und anderen Freuden des Alltags konfrontiert, die niemand so explizit und direkt schildert wie dieser Autor.
Um den ersten Satz zu zititeren – Zitat: »Sissy schaute auf das Schnapsglas voller Schweinesperma und kippte es auf ex.« Zitat Ende. Edward Lee in Bestform und einer der Gründe, warum der Autor so beliebt ist. Er schildert einfach haarsträubende Sachen.
Das Buch könnte unerträglich und zum kotzen sein, aber Lee umgeht diese Gefahr mit einem höchst cleveren Kunstgriff: Der Stimme des Erzählers, der mit hämischer Fröhlichkeit Vergleiche anstellt, die aus dem Jetzt stammen, während der Roman in den 1970er Jahren spielt. Der Trick macht das Buch lesbar und die ausgewählten Grausamkeiten und Widerlichkeiten lesbar.
Man darf bei all den Sauereien der Geschichte nicht vergessen, Edward Lee ist ein Autor, der verdammt gut schreiben kann und komplexe, fesselnde Geschichten zu erzählen weiß – nur eben sehr extreme Geschichten, was ja per se nichts Schlechtes ist.
Also, inhaltlich gibt es nichts zu meckern. Edward Lee in Bestform, der uns amüsiert grinsend in die Scheiße jagt.
Zum Thema Privatdruck kann man jetzt sagen – und das ist meine persönliche Meinung – dass das Aussperren des Handels eigentlich unnötig ist. Sicher, Amazon hat sich geweigert, die Printausgabe zu listen. Aber wir wissen alle, das Amazon ein typischer, scheinmoralischer, ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachter Konzern ist – wie alle anderen Konzerne eben auch. Um nichts besser, um nichts schlechter.
Das Schwein erscheint mir persönlich jetzt nicht extremer als Bighead, Creekers oder andere Werke von Lee wie Flesh Gothic und wenn diese, wie hoch die Stückzahl ist, ist mir unbekannt, auch über den Handel abgesetzt werden können, sollte Das Schwein ebenfalls in den Läden ein Publikum finden.
Ob da das aussperren des Handels mehr als ein Marketinggag ist, weiß ich nicht, den Anschein hat diese Aktion jedenfalls und das finde ich persönlich bedauerlich. Nicht unbedingt wegen dem Buchhandel, sondern weil sich Festa unter Umständen damit in eine Richtung bewegt, die dem Verlag auf längere Sicht schaden kann und das wäre extrem bedauerlich.
Weniger gut gelungen scheint mir die Übersetzung zu sein, sprachlich ist das Buch unrund und holprig. Mag vielleicht von Lee auch so geschrieben sein, keine Ahnung, ich habe das Original nicht gelesen, orientiere mich lediglich an den bisherigen Übersetzungen.
Das Lektorat hat bei diesem Buch ein paarmal irritierend versagt, was besonders bei Satzzeichen wie »« auffällt, wo Reden beendet werden, die noch etliche Sätze länger andauern. Da stellt sich die Frage – sind diese Mängel lediglich ein unglückliches zusammentreffen, wie es immer wieder passieren kann, oder spürt man da die Folgen einer Produktion, der ein Absatzweg verschlossen bleibt und die deshalb sparsamer als üblich entstanden ist?
Wie dem auch sei, das Cover ist ausgezeichnet, das muss man Festa lassen. Die Gestaltung der Umschläge ist meisterhaft und schafft es, allein mit den Titelbildern Interesse an den Büchern zu wecken. Hut ab.
Alles in allem ist das Buch eine gemischte Erfahrung. Die Geschichte ist ein provokanter, obszöner Edward Lee mit satirischem Ton. Der Privatdruck erscheint überflüssig und Übersetzung und Lektorat sind nicht so sauber, wie es von Festa sonst gewöhnlich geliefert wird. Bleibt abzuwarten, wie die nächsten Bände dieser Reihe aussehen. Dieser Privatdruck erscheint eher als Marketinggag denn als Notwendigkeit.
Kurz gesagt:
- geile Geschichte
- seltsamer Verkaufsweg
- etwas unrund übersetzt
Fazit: gute Geschichte, das Buch selbst ein interessantes Experiment
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